Leitsatz (amtlich)
1. Die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Betreuer tritt nach dem seit 01.01.2023 in Kraft getretenen § 1858 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses des Betreuungsgerichts ein.
2. Die Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, Art. 229 § 54 EGBGB, enthält für genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte keine Sonderbestimmungen, weshalb das neue Recht ab dem Inkrafttreten für die Erteilung der Genehmigung durch das Betreuungsgericht unabhängig davon Anwendung findet, wann das genehmigungspflichtige Rechtsgeschäft vorgenommen bzw. das Genehmigungsverfahren eingeleitet worden ist.
3. Zur Wahrung der Ausschlagungsfrist nach § 1944 BGB reicht es nach neuem Recht aus, wenn die Genehmigung des Betreuungsgerichts innerhalb der Frist beantragt wird; § 1858 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB. Weiterer Handlungen zur Wahrung der Ausschlagungsfrist bedarf es nicht mehr.
Normenkette
BGB § 1858 Abs. 3, § 1944 Abs. 1, 2 Sätze 1-3
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 vom 12.03.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lörrach vom 07.02.2024, Az. 23 VI 846/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziffer 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Versagung eines Erbscheins.
Die am XX.XX.19XX geborene Erblasserin ist am XX.XX.20XX verwitwet verstorben. Die Beteiligte Ziffer 1 ist die Nichte der Erblasserin, der Beteiligte Ziffer 2 der einzige Sohn der Erblasserin.
Die Erblasserin hat unter dem 13.02.2020 ein notarielles Testament errichtet (s.a. Akte des Amtsgerichts - Verwahrgericht - Lörrach, Az. 23 VI 595/20), nach welchem sie die Beteiligten zu ihren alleinigen Erben berufen hat, ihren Sohn mit drei Hundertstel mehr als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils und im Übrigen ihre Nichte. Zudem wurde geregelt, dass der Beteiligte Ziffer 2 Vorerbe ist und die Beteiligte Ziffer 1 die Stellung als Nacherbin hat sowie hinsichtlich des Erbteils des Beteiligten Ziffer 2 Testamentsvollstreckung angeordnet und die Beteiligte Ziffer 1 zur Testamentsvollstreckerin ernannt. Das Testament wurde am 28.07.2021 durch das Amtsgericht - Nachlassgericht - Lörrach eröffnet.
Für den Beteiligten Ziffer 2 war gemäß Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - Lahr vom 02.09.2021 - 4 XVII 261/21 zunächst eine vorläufige Betreuung bis 01.03.2022 eingerichtet (s.a. Akte des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lörrach, Az. 23 VI 846/21, Sonderband "Kopien 4 XVII 261/21 S., R:"). Zur Betreuerin wurde seine Ehefrau für den Aufgabenkreis "Ausschlagung der Erbschaft (Erblasserin I. S., geb. Sch., verstorben am XX.XX.20XX)" bestellt. Dies war laut der Begründung im vorgenannten Beschluss erforderlich, weil die privatschriftlich erteilte Vorsorgevollmacht vom 10.04.2017 zur Ausschlagung der angefallenen Erbschaft ungenügend war, da die Ausschlagung durch einen Bevollmächtigten eine öffentlich beglaubigte Vollmacht voraussetzt. Eine erneute Bestellung der Ehefrau zur Betreuerin für den Aufgabenkreis "Nachlassangelegenheiten" und "Immobilienangelegenheiten" erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - Lahr vom 23.07.2023 - 4 XVII 261/21 (AS 135 ff.).
Die Ehefrau des Beteiligten Ziffer 2 hat als dessen Betreuerin mit notariell beglaubigter Erklärung vom 06.09.2021 das Erbe für ihren Ehemann ausgeschlagen und dabei mitgeteilt, dass vom Anfall der Erbschaft seit dem 09.08.2021 Kenntnis besteht (Akte des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lörrach, Az. 23 VI 846/21, Sonderband "Ausschlagungsverfahren", AS 3 ff.).
Die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten Ziffer 2 hat mit Schriftsatz vom 07.09.2021, eingegangen beim Amtsgericht - Nachlassgericht - Lörrach am 08.09.2021, die öffentlich beglaubigte Ausschlagungserklärung vorgelegt und mitgeteilt, dass bereits parallel die aufgrund der Betreuung erforderliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung durch das Betreuungsgericht beantragt wurde (Akte des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lörrach, Az. 23 VI 846/21, Sonderband "Ausschlagungsverfahren", AS 1).
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27.01.2023 (AS 2 ff.) hat die Beteiligte Ziffer 1 die Erteilung eines Erbscheins auf Grundlage des Testaments der Erblasserin beantragt.
Mit seit 26.09.2023 rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - Lahr vom 06.09.2023 - 4 XVII 261/21 wurde der Ehefrau des Beteiligten Ziffer 2 als Betreuerin zu der von ihr am 06.09.2021 erklärten Erbschaftsausschlagung die betreuungsgerichtliche Genehmigung erteilt (AS 191 ff.).
Mit Schriftsatz vom 29.09.2023 (AS 73), dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Lörrach vorab per beA übermittelt und am 02.10.2023 postalisch zugegangen, hat die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten Ziffer 2 dem Nachlassgericht eine Ausfertigung des Beschlusses mit Rechtskraftvermerk übermittelt.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.11.2023 (AS 100 ff.) hat die Beteiligte Ziff...