Leitsatz (amtlich)

1. Die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften wird von der Richtlinie des Rates der EURpäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie) nicht erfasst, wenn die übernehmende Gesellschaft vor der Verschmelzung Inhaberin aller Anteile der übertragenden Gesellschaft war (Bestätigung von OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2001 - 11 Wx 59/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 200 = GmbHR 2001, 347).

2. Die Erhebung von Notargebühren nach den Regeln der Kostenordnung für die Tätigkeit beamteter Notare im Bezirk des OLG Karlsruhe ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

EWGRL 335/69 Art. 4; EWGRL 335 Art. 12 Abs. 1 lit. e, Art. 10; KostO §§ 18, 36 Abs. 2, § 47; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 104a ff.

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Beschluss vom 07.10.2003; Aktenzeichen 6 T 75/03-I)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 09.12.2008; Aktenzeichen 2 BvR 216/05)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des LG Heidelberg vom 7.10.2003 - 6 T 75/03-I - dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des AG Heidelberg vom 11.3.2003 zurückgewiesen wird.

 

Gründe

I. Mit Urkunde des Notariats Heidelberg vom 9.8.1999 schlossen die Beteil. zu 1) (G. GmbH) und die K. GmbH einen Verschmelzungsvertrag, wonach letztere im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme ihr Vermögen als Ganzes auf die Beteil. zu 1) überträgt. Da die Beteil. zu 1) sämtliche Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft hielt, wurde vereinbart, dass eine Gewährung von Anteilen am aufnehmenden Rechtsträger auf die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers nicht erfolgt. Die notarielle Urkunde enthält neben den Vertragsbestimmungen die Verschmelzungsbeschlüsse der Gesellschafter. Die durch den Vertrag und seine Durchführung entstehenden Kosten trägt die Beteil. zu 1).

Der Kostenbeamte stellte der Beteil. zu 1) für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages Gebühren i.H.v. 16.180 DM und für diejenige der Verschmelzungsbeschlüsse i.H.v. 10.000 DM in Rechnung. Hinzu treten Kosten für Auswärtsbeurkundung, Schreibauslagen sowie Mehrwertsteuer.

Gegen diesen Kostenansatz hat die Beteil. zu 1) Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht, er verstoße gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates der EURpäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie) und sei daneben verfassungswidrig, weshalb die Gebühren anhand der tatsächlich entstandenen Kosten zu berechnen seien. Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteil. zu 1) hat das LG den Beschluss des AG sowie die Kostenrechnung aufgehoben und die Sache zur erneuten Kostenfestsetzung unter Beachtung der Grundsätze der Richtlinie des Rates betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital an den Kostenbeamten zurückgegeben. Hiergegen richtet sich die - vom LG zugelassene - weitere Beschwerde der Staatskasse.

II. Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung durch das LG (§ 14 Abs. 3 S. 2 KostO a.F.) statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Abänderung der Beschwerdeentscheidung und zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (§ 36 Abs. 2 KostO) und der Zustimmungsbeschlüsse (§ 47 KostO) in Ansatz gebrachten Gebühren verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

1. Der Kostenansatz verstößt nicht gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.

a) Nach Art. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten eine als Gesellschaftssteuer bezeichnete harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften erheben. Die Vorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen, sind in Art. 4 der Richtlinie aufgeführt. Nach Art. 10 der Richtlinie erheben die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftssteuer von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere "Steuern oder Abgaben" auf die in Art. 4 der Richtlinie genannten Vorgänge (lit. a), auf die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Art. 4 genannten Vorgänge (lit. b) sowie auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (lit. c). Art. 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie gestattet jedoch die Erhebung von " Abgaben mit Gebührencharakter ".

Mit Beschl. v. 21.3.2002 hat der EuGH entschieden, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Bezirk des OLG Karlsruhe nicht als Abgabe mit Gebührencharakter, sondern als " Steuer " im Sinne der Richtlinie anzusehen sind (EuGH v. 21.3.2002 - Rs. C-264/00 - "Gründerzentrum", GmbHR 2002, 486 = ZIP 2002, 663).

b) Die Gebühren für die notarielle Beurkundung ...

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