Verfahrensgang
AG Offenburg (Aktenzeichen 904 VI 1149/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Offenburg (Az. 904 VI 1149/20) vom 17.08.2021 aufgehoben.
2. Das Nachlassgericht wird angewiesen, den am 28.09.2018 erteilten Erbschein (904 VI 1032/18) einzuziehen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 294.100 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Nachlassgerichts Offenburg, mit dem die Einziehung eines erteilten Erbscheins abgelehnt wurde.
Der Beteiligte Ziffer 1 ist der einzige Abkömmling der am 05.07.1941 geborenen und am 21.07.2018 verstorbenen Erblasserin A. B. und ihres am 10.10.2005 vorverstorbenen Ehemanns H. B.. Die Eheleute B. betrieben ein Gasthaus in O; die Erblasserin war Eigentümerin der Immobilie. Der Beteiligte Ziffer 1 hat drei volljährige Kinder.
Bei der Erblasserin wurde am 10.08.1998 in der Universitätsklinik F wegen des Verdachts auf einen Gehirntumor eine Biopsie durchgeführt. In deren Folge erlitt die Erblasserin schwere, irreversible neurologische Gesundheitsschäden, fiel ins Koma und musste seither intensiv betreut und gepflegt werden, was bis zum Jahr 2009 in häuslichem Rahmen erfolgte.
Die Erblasserin erhob - zunächst vertreten durch ihren zum Betreuer bestellten Ehemann - am 24.09.2004 Klage gegen das Universitätsklinikum F (Landgericht Freiburg, Az. 6 O 388/04) und machte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000 EUR sowie weiteren Schadensersatz geltend. Nach dem Tod ihres Ehemanns übernahm zunächst der Beteiligte Ziffer 1 als Betreuer die gesetzliche Vertretung der Erblasserin, ab dem Jahr 2009 die für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingesetzten Berufsbetreuer. Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 20.06.2007 wurde die Schadensersatzklage der Erblasserin abgewiesen. Ihre Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2008 - 13 U 99/07). Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 12.10.2011 - 1 O 312/09 wurde die Klage der Erblasserin erneut abgewiesen. In dem darauffolgenden Berufungsverfahren (13 U 227/11) wurde ein Obergutachten eingeholt, das am 29.07.2015 erstattet wurde.
Am 30.04.2015 wurde über das Vermögen des Beteiligten Ziffer 1, der ab 01.07.2000 die Gastwirtschaft seiner Eltern als Pächter betrieben hatte, das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beteiligte Ziffer 2 zur Insolvenzverwalterin bestellt (Amtsgericht Offenburg, 30 IN ...).
Wenige Monate später, am 09.09.2015, wurde auch über das Vermögen der Erblasserin das Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht Offenburg, 10 IN ...) und C. als Insolvenzverwalter eingesetzt. Das Gasthaus wurde am 11.04.2016 veräußert; nach Abzug der Belastungen und Kosten ergab sich ein Überschuss von 39.136,25 EUR. Die Beteiligte Ziffer 2 meldete für den Beteiligten Ziffer 1 mit Schreiben vom 07.10.2015 Forderungen in Höhe von insgesamt 391.647 EUR zur Tabelle an, für deren Begründung Investitionen des Beteiligten Ziffer 1 für die Gaststätte in Höhe von 279.847,07 EUR, Arbeitsleistungen im Wert von 30.000 EUR, Verfahrenskosten von 50.000 EUR, ein Betreuungsaufwand von 16.800 EUR und ein Aufwand für den Schadensersatzprozess von 15.000 EUR genannt wurden.
Nach dem Tod der Erblasserin am 21.07.2018 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt. Unter dem 24.09.2018 reichte der Beteiligte Ziffer 1 beim Amtsgericht Offenburg ein Nachlassverzeichnis ein, in dem ein Vermögen der Erblasserin in Höhe von 444,39 EUR angegeben wurde mit der Bemerkung "Der Nachlass ist überschuldet.". Vier Tage später, am 28.09.2018, erklärte der Beteiligte Ziffer 1 zu Protokoll der Rechtspflegerin am Nachlassgericht Offenburg, dass er die Erbschaft nach seiner Mutter angenommen habe und beantragte die Erteilung eines Erbscheins für ihn als Alleinerben. Der Erbschein wurde antragsgemäß am selben Tag erteilt.
Im Schadensersatzprozess der Erblasserin gegen das Universitätsklinikum F, den der Nachlassinsolvenzverwalter C. in enger Abstimmung mit dem Beteiligten Ziffer 1 fortführte, kam es nach zwei Ergänzungen des Obergutachtens ab dem Jahr 2018 zu Gesprächen über eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits. Mit Schriftsatz vom 30.04.2019 stellte die Klägerseite eine Gesamtforderung von 1.764.896,89 EUR dar. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 19.02.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich das beklagte Universitätsklinikum F zur Zahlung von 1.500.000 EUR verpflichtete. Ein bis 08.04.2020 möglicher Widerruf des Vergleichs erfolgte nicht; am 28.04.2020 wurde die Vergleichssumme auf das Anderkonto des Nachlassinsolvenzverwalters überwiesen. Bis dahin wurde die gegen das Universitätsklinikum F eingeklagte Forderung mit einem Erinnerungswert von 1 EUR in...