Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für weitere Ermittlungen im Rahmen der Amtsermittlungspflicht ist, dass das Alter des Betroffenen zweifelhaft ist. Ist die Behauptung, minderjährig zu sein, offenkundig falsch oder legt der Betroffene die Umstände, aus denen sich seine Minderjährigkeit ergeben soll, schon nicht hinreichend plausibel dar, gebietet die Amtsermittlungspflicht keine Ermittlungen "ins Blaue" hinein.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 06.05.2015; Aktenzeichen 42 F 311/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 06.05.2015 (42 F 311/15) wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die vom Betroffenen erstrebte Feststellung, dass die für ihn bestehende elterliche Sorge ruht und ihm daher ein Vormund zu bestellen ist.
Der Betroffene wurde am 12.01.2015 von der Bundespolizei im Hauptbahnhof... angetroffen. Er gab an,... zu heißen und aus... zu stammen. Er war im Besitz eines Fahrscheins des... Verkehrsverbunds vom 09.01.2015, ausgegeben vom... Der Aktenvermerk der Polizei nennt als Geburtsdatum den... und hält fest, dass die Personaldaten auf den Angaben des Betroffenen beruhen und ein Dolmetscher telefonisch behilflich gewesen sei. Eine telefonische Rückfrage bei der Jugendeinrichtung in... ergab, dass dort kein Jugendlicher mit den vom Betroffenen angegebenen Personalien bekannt ist. Der Betroffene wurde vom Jugendamt am 12.01.2015 in Obhut genommen.
Im Erstgespräch am 14.01.2015 mit der Sachbearbeiterin des Jugendamts in... gab der Betroffene deren Angaben zufolge an, dass er nicht wünsche, dass Kontakt zu seiner Familie aufgenommen werde. Mit seinem älteren Bruder habe er gebrochen und wolle nicht an den Nachnamen seiner Herkunftsfamilie erinnert werden. Er habe sich daher selbst einen Namen ausgesucht. Der Name... sei ein Phantasiename, sein richtiger Nachname sei... Seine Eltern seien verstorben. Er habe die letzten Jahre mit seinen Geschwistern... gelebt, dort als Schuhmacher gearbeitet und die Abendschule bis zur 8. Klasse besucht. Er sei vor vier Monaten aus... über... und... nach Deutschland geflüchtet.
In diesem Gespräch ergaben sich für die Sachbearbeiterin gravierende Zweifel an der Minderjährigkeit des Betroffenen. Die unter dem 20.01.2015 durch..., erstattete ärztliche Stellungnahme kommt auf der Basis einer am 15.01.2015 gefertigten Röntgenaufnahme der linken Hand zu dem Ergebnis, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre alt ist. Das Jugendamt beendete daraufhin am 21.01.2015 die Inobhutnahme.
Am 04.02.2015 beantragte der Betroffene beim AG Freiburg eine einstweilige Anordnung auf Inobhutnahme. Er sei am... in... geboren. Dies werde von dem beigefügten... Identifikationsdokument bestätigt. Das Familiengericht gab den Antrag an das Verwaltungsgericht Freiburg ab und leitete seinerseits von Amts wegen das vorliegende Verfahren gemäß § 1674 BGB ein.
Mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 07.04.2015 ließ der Betroffene weiter vortragen, dass ihm nicht bekannt sei, wann genau er geboren sei. Er wisse nur, dass es im Winter gewesen sei. Aus dem vorgelegten... Identifikationsdokument ergebe sich, dass er im Jahr 2011 unserer Zeitrechnung nach seiner äußeren Erscheinung 14 Jahre alt gewesen sei. Demnach würde er im laufenden Kalenderjahr 18 Jahre alt werden. Bei der Polizei habe er ein Geburtsdatum benennen sollen. Wie es zu der Angabe... gegenüber der Polizei gekommen sei, sei nicht mehr genau nachvollziehbar, zumal es wegen der verschiedenen Zeitrechnungen Umrechnungsprobleme gegeben habe. Er habe gegenüber den Behörden aus Unsicherheit über seine Situation früher den falschen Namen... angegeben. Sein richtiger Name laute...
Am 17.04.2015 wurde der Betroffene vor dem Familiengericht persönlich angehört. Hier gab er an, er sei im... Monat des Jahres... (nach dem... Kalender) geboren. Die Polizei habe unbedingt ein genaues Geburtsdatum von ihm wissen wollen. Er habe dann aus mehreren ihm gezeigten Daten den... ausgewählt. Sein genaues Geburtsdatum wisse er aber nicht, sondern nur, dass er im Jahr... geboren sei. Der Antrag vom 04.02.2015 sei von... formuliert worden. Dort habe er gesagt, dass er bei der Polizei das Geburtsdatum... angegeben habe. In... habe er seinen Namen mit... angegeben, da er Angst davor gehabt habe, seinen richtigen Namen zu nennen. Beim Jugendamt in... habe er demgegenüber nicht gesagt, dass sein richtiger Name... sei, sondern lediglich geäußert, dass er in... den Namen... angegeben habe... habe er vor sieben Jahren, somit im Jahr 2008 verlassen. Vor sieben Monaten, also im Oktober 2014, habe er... verlassen. Das von ihm vorge...