Entscheidungsstichwort (Thema)
"Ewiges" Widerspruchsrecht bei mangelhafter Belehrung gemäß § 5a VVG a.F. auch für Unternehmer als Versicherungsnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Jahreshöchstfrist für den Widerspruch gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. findet im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung auch dann keine Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer kein Verbraucher ist.
2. Eine Widerspruchsbelehrung, die den Versicherungsnehmer darauf hinweist, dass er "schriftlich widersprechen" könne und "eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens" genüge, widerspricht nicht den Vorgaben des § 5a VVG in der ab dem 01.08.2001 geltenden Fassung.
3. Den Anforderungen gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. i.V.m. der Anlage D zum VAG a.F. ist genügt, wenn ersichtlich ist, dass die angegebenen Rückkaufswerte und beitragsfreien Leistungen vertraglich vereinbart sind. Der ausdrücklichen Formulierung einer Garantie bedarf es nicht.
Normenkette
VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 03.07.2020; Aktenzeichen 21 O 342/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer XXI - vom 03.07.2020, Az. 21 O 342/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und ggf. Rechtsmittelrücknahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Klägerin (red. Anmerkung: eine GmbH) begehrt die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und die Herausgabe gezogener Nutzungen nach Widerspruch gegen eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, die sie im Juli 2004 für ihren Angestellten Manfred F. bei der Beklagten im so genannten Policenmodell nach § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.) abschloss.
Dem Schreiben vom 15.07.2004, mit dem die Beklagte der Klägerin den Versicherungsschein übersandte, waren als Anlagen u.a. ein "Leitblatt Verbraucherinformation", eine Aufstellung "Beitragsfreie Leistungen und Rückkaufswerte" sowie "Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung" beigefügt (Anl. K1 u. B 2). Auf der letzten Seite des zweiseitigen Versicherungsscheins befand sich nachstehender, in Dickdruck gehaltener Hinweis:
"Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrags bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen schriftlich widersprechen. Eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens, genügt. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."
Die Klägerin zahlte auf den Vertrag bis zum Ablauf der vertraglichen Beitragsdauer am 01.08.2016 Prämien von insgesamt 72.000 EUR. Nach Ausübung des Kapitalwahlrechts erhielt sie von der Beklagten eine Auszahlung von 81.421,34 EUR. Mit Anwaltsschreiben vom 26.11.2016 erklärte die Klägerin den Widerspruch und verlangte die Zahlung weiterer 9.860,46 EUR. Dem kam die Beklagte nicht nach. Zur Vorbereitung der Klage ließ die Klägerin durch die I. GmbH eine "Quantifizierung der Rückabwicklungsfolgen" erstellen, für die ihr 595 EUR in Rechnung gestellt wurden.
Die Klägerin hat in erster Instanz die Ansicht geäußert, ihr Widerspruch sei wirksam, weil sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht informiert worden sei. Entgegen den Vorgaben von § 5a VVG a.F. sei das sogenannte "Textformerfordernis" in der Widerspruchsbelehrung unzureichend beachtet worden. Darüber hinaus lägen unvollständige Verbraucherinformationen zu den beitragsfreien Leistungen und Rückkaufswerten vor, weil sich aus den übermittelten Unterlagen nicht ergebe, ob und inwieweit die angegebenen Leistungen garantiert seien. Danach sei der Widerspruch auch heute noch möglich. Auch bei Vertragsabschluss durch einen Arbeitgeber wie hier seien die verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften des Europarechts anwendbar. Verwirkung sei nicht eingetreten.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 16.172,67 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten per anno über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2016 zu bezahlen,
2. die Klägerin von Gutachterkosten der Firma I. GmbH in Höhe von 595 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten per anno hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen und
3. die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 887,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten per anno hieraus über den Basiszinssatz seit dem 13.12.2016 freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuwei...