Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschluss einer Lebensversicherung im Policenmodell: Anforderungen an die Widerspruchsbelehrung und die Verbraucherinformation
Leitsatz (amtlich)
1. Dem zutreffenden Hinweis in der Widerspruchsbelehrung auf die erforderliche Textform eines Widerspruchs fehlt es an der gebotenen Klarheit, wenn der Lebensversicherungsvertrag mit einer Mehrheit von Versicherern geschlossen wird und im Versicherungsschein darauf hingewiesen, dass Willenserklärungen gegenüber einer Konsortialführerin abzugeben und nur wirksam sind, wenn sie der Schriftform entsprechen. In diesem Fall ist die Widerspruchsbelehrung nicht ordnungsgemäß.
2. Dagegen schadet es nicht, wenn bei einem zutreffenden Hinweis in der Widerspruchsbelehrung auf die erforderliche Textform eines Widerspruchs lediglich in den Versicherungsbedingungen geregelt ist, dass Mitteilungen, die das bestehende Versicherungsverhältnis betreffen, stets schriftlich erfolgen müssen und wirksam würden, sobald sie zugegangen sind.
3. Zu den Anforderungen an die Verbraucherinformation bezüglich der Angaben über die Prämienhöhe, die Antragsbindungsfrist, die Berechnungsgrundsätze für die Überschussermittlung und -beteiligung sowie die Rückkaufswerte und deren Garantie.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 20.03.2019, Az. 2 O 306/18, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger - infolge Teilerledigung in der Hauptsache - Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 11.936,97 EUR für den Zeitraum zwischen dem 10.11.2015 und dem 09.12.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 490,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 29.12.2015 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagte 20 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger streitet mit dem beklagten Versicherer über Ansprüche im Zusammenhang mit einer fondsgebundenen und einer Kapitallebensversicherung aufgrund folgenden Sachverhalts:
Versicherungsvertrag Nr. ...-03
Mit Versicherungsbeginn am 01.11.2003 schlossen der Kläger und ein von der Beklagten angeführtes Konsortium von Versicherern im Policenmodell die Kapitallebensversicherung Nr. ...-03 nach Maßgabe des Versicherungsscheins vom 09.10.2003, der mit den weiteren Vertragsunterlagen übersandt wurde und folgende Widerspruchsbelehrung in Fettdruck auf der vierten Seite über Datum und Unterschrift enthält:
"Nach § 5a Versicherungsvertragsgesetz steht Ihnen ein 14-tägiges Widerspruchsrecht zu. Die Versicherung gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen der Versicherung in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung."
Der Versicherungsschein enthält weiter folgende Information:
"Willenserklärungen werden von der X Lebensversicherung AG als vertragsführende Gesellschaft, auch im Namen der übrigen am Vertrag beteiligten Versicherer, abgegeben und entgegengenommen. Der gesamte Schriftverkehr wird daher ausschließlich mit der X Lebensversicherung AG geführt. Willenserklärungen sind nur und erst dann rechtswirksam, wenn sie der X Lebensversicherung AG schriftlich zugegangen sind."
Das Policenbegleitschreiben vom 09.10.2003 enthält folgende Mitteilung:
"Darüber hinaus erhalten Sie die dem Vertrag zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen."
Der Kläger widersprach dynamischen Beitragsanpassungen in den Jahren 2004, 2008 und 2009. Auf Wunsch des Klägers wurde im Jahr 2008 der Beitrag reduziert (vgl. Schreiben vom 25.04.2008 und Antwort der Beklagten vom 30.04.2008).
Mit Schreiben vom 13.01.2011 kündigte der Kläger diesen Versicherungsvertrag. Mit Schreiben vom 16.02.2011 rechnete die Beklagte ab, bezifferte den Rückkaufswert mit 21.827,02 EUR und zahlte 20.982,26 EUR nach Abzug von Steuern aus.
Mit Schreiben vom 14.10.2015 erklärte der Kläger den Widerruf, den die Beklagte als Widerspruch auslegte und mit Schreiben vom 09.11.2015 zurückwies.
Versicherungsvertrag Nr. ...-04
Mit Beginn am 01.03.2004 schlossen die Parteien im Policenmodell die fondsgebundene Lebensversicherung Nr. ...-04 nach Maßgabe des Versicherungsscheins vom 24.03.2004,...