Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ist der Wert des Sachbezugs durch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch für private Zwecke gem. § 287 ZPO zu schätzen. Der Vorteil des Firmenfahrzeugs wird durch die steuerliche Bewertung erfasst. Eine Korrektur des steuerlichen Ansatzes kann geboten sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Situation (hier: Verbraucherinsolvenz, 4 Unterhaltsberechtigte) privat ein weniger teures Fahrzeug anschaffen würde. Dann ist es gerechtfertigt, dem Einkommen nur den Nutzungsvorteil eines seinem Einkommen, seinen Unterhaltspflichten und seinen Verbindlichkeiten entsprechenden Fahrzeugs zuzurechnen.

2. Der Unterhaltsbedarf des in den Vereinigten Staaten (Miami/Florida) lebenden Kindes ist im Hinblick auf den Kaufkraftunterschied um 9 % herabzusetzen. Dieser Kaufkraftunterschied ergibt sich aus den vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten "vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern".

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Beschluss vom 26.02.2015; Aktenzeichen 6 F 84/14)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Karlsruhe vom 26.2.2015 (6 F 84/14) unter Ziff. 1 bis 3 wie folgt abgeändert:

1. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Weinheim vom 12.12.2011 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 14.6.2013 (4 F 18/11) wird für den Zeitraum ab 1.9.2014 wie folgt abgeändert:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen, monatlich im Voraus zu zahlenden Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

  • in den Monaten September 2014 und Oktober 2014. i.H.v. 115 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612a BGB ohne Abzug des Kindergelds oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen, aber abzgl. 9 %, somit (490 EUR - 44,10 EUR =) 445,90 EUR monatlich,
  • im Monat November 2014. i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612a BGB ohne Abzug des Kindergelds oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen, somit 426 EUR,
  • in den Monaten Dezember 2014 bis einschließlich August 2015. i.H.v. 115 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612a BGB ohne Abzug des Kindergelds oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen, aber abzgl. 9 %, somit von Dezember 2014 bis Juli 2015 (490 EUR - 44,10 EUR =) 445,90 EUR monatlich und für August 2015 (506 EUR - 45,54 EUR =) 460,46 EUR sowie
  • ab September 2015. i.H.v. 110 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612a BGB ohne Abzug des Kindergelds oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen, aber abzgl. 9 %, somit (484 EUR - 43,56 EUR =) 440,44 EUR.

2. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

II. Die weiter gehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.320 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Antragsgegner der Antragstellerin mehr als 100 % des Mindestunterhalts schuldet.

Der Antragsgegner ist der Vater der am ... 2002 geborenen Antragstellerin. Mit Beschluss des AG Weinheim vom 12.12.2011 (4 F 18/11), berichtigt mit Beschluss vom 14.6.2013, wurde die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt und der Antragsgegner ab 1.2.2010 zur Zahlung von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 2. Altersstufe und ab 24.1.2014 der 3. Altersstufe ohne Anrechnung von Kindergeld oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen verpflichtet. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin im Wege des Abänderungsantrages die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung ab 1.11.2010 begehrt.

Die Antragstellerin und ihre Mutter leben in Miami/Florida. Die Mutter der Antragstellerin erhält weder Kindergeld noch sonstige anrechenbare Leistungen. Sie ist bei der Firma M. in den USA beschäftigt.

Der Antragsgegner und seine Ehefrau haben eine Tochter M., geboren am ... 2011. Der Antragsgegner hat einen weiteren Sohn T., geboren am. 1996, für den er ebenfalls unterhaltspflichtig ist.

Der Antragsgegner ist nach Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit seit November 2010 angestellt. Er arbeitet bei der Firma L.

Mit Beschluss des AG Mannheim vom 27.8.2014 (4 IK 885/14) ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragsgegners wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden. Im vorliegenden Verfahren hat das AG daraufhin mit Beschluss vom 9.2.2015 das Verfahren betreffend den Unterhaltsrückstand für den Zeitraum vom 1.11.2010 bis 27.8.2014 abgetrennt.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Antragsgegner sei zu höheren Unterhaltszahlungen als dem gesetzlichen Mindestunterhalt leistungsfähig. In den USA gebe es keine Leistungen, die dem Kindergeldbezug gleichzusetzen seien, so dass die Anrechnung von Kindergeld zugunsten des Antrags...

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