Entscheidungsstichwort (Thema)

selbständiges Einziehungsverfahren. Absehen von einer Einziehungsanordnung. Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Einstellungsurteil. Ordnungswidrigkeitenrecht. AÜG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Staatsanwaltschaft steht gegen eine im selbständigen Einziehungsverfahren nach dem OWiG durch Urteil ergangene "Negativentscheidung" (Absehen von einer Einziehungsanordnung oder Festsetzung eines geringeren Betrages als beantragt) das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gem. §§ 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, 46 Abs. 1 OWiG, §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG zu, wenn im Einziehungsbescheid die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von mehr als 600,- EUR festgesetzt oder dies von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.

2. Überblick über die bisher in der Rechtsprechung und im Schrifttum hierzu vertretenen Auffassungen.

3. Auch in einem Einstellungsurteil wegen Verjährung nach § 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG sind die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Verfahrenshindernisses in einer vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbaren Weise festzustellen und zu begründen (vgl. BGH Urteil vom 19.10.2010 - 1 StR 266/10 - NJW 2011, 547 m.w.N.).

 

Normenkette

OWiG § 87 Abs. 3; StPO §§ 436, 434 Abs. 3 S. 1 Hs. 2; OWiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; StPO § 260 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Lörrach (Entscheidung vom 03.08.2020; Aktenzeichen 31 OWi 92 Js 14672/18)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Z vom 3. August 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Z zurückgewiesen.
 

Gründe

I.

Mit Einziehungsbescheid des Hauptzollamtes Z vom 15.08.2018 wurde gegen die Einziehungsbeteiligte XY GmbH, Geschäftsführer A, im selbständigen Einziehungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) i.V.m. § 29a OWiG die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 100.000,00 Euro angeordnet. Das gegen den Betroffenen A eingeleitete Bußgeldverfahren war zuvor gem. § 47 OWiG eingestellt worden.

Dem Einziehungsbescheid lag der Vorwurf zugrunde, der Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten habe im Zeitraum vom 23.06.2014 bis 29.11.2014 zumindest zwei Leih-Arbeitnehmer von einer Firma Bau K mit Sitz in V/Ungarn zu einem Rechnungsbetrag von insgesamt 68.000 EUR (Tatkomplex 1) und im Zeitraum vom 01.12.2014 bis 31.12.2016 zumindest zwei Leih-Arbeitnehmer von einer Firma M mit Sitz in W/Ungarn zu einem Rechnungsbetrag von insgesamt 161.900 EUR (Tatkomplex 2) entliehen, wohl wissend, dass die genannten Verleiher-Firmen nicht über die gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügten und diese auch nicht angezeigt hatten.

Gegen den der Einziehungsbeteiligten am 20.08.2018 zugestellten Bescheid hat diese mit am 29.08.2018 beim Hauptzollamt Z eingegangenem Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 28.08.2018 Einspruch eingelegt.

Nach Eingang der Akten beim Amtsgericht Z am 27.11.2018 hat dieses - nach zahlreichen Terminbestimmungen und -verlegungen und nach zwischenzeitlicher Aussetzung einer am 15.10.2019 begonnenen ersten Hauptverhandlung aufgrund der sodann am 20.07. und 03.08.2020 durchgeführten Hauptverhandlung mit Urteil vom 03.08.2020 "den Einziehungsbescheid des Hauptzollamtes Z vom 15.08.2018 aufgehoben". Aus den Gründen des Urteils geht hervor, dass nach Auffassung des Amtsgerichts bereits vor Urteilserlass gem. § 33 Abs. 3 OWiG absolute Verfolgungsverjährung eingetreten war, da "dem Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten nur eine fahrlässige Begehungsweise nachgewiesen werden" könne. Im Hinblick auf die fahrlässige Begehungsweise halbiere sich die "Verjährungszeit" von drei Jahren auf eineinhalb Jahre. Da die dem Einziehungsbescheid zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeiten bereits "im Jahre 2016 beendet" gewesen seien, sei das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (drei Jahre) vergangen und damit inzwischen absolute Verfolgungsverjährung eingetreten (§ 33 Abs. 3 OWiG). Damit hat das Amtsgericht das Verfahren der Sache nach - auch wenn es dies im Tenor nicht so bezeichnet hat - wegen eines vermeintlichen Verfahrenshindernisses durch Urteil eingestellt (vgl. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 1 und 3 StPO).

Gegen das in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft - welche in der Hauptverhandlung die Einziehung von 100.000.- Euro beantragt hatte - am 03.08.2020 verkündete Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit am 04.08.2020 eingegangenem Schreiben - entsprechend der vom Amtsrichter erteilten Rechtsmittelbelehrung - Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und zugleich das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie nach am 24.08.2020 erfolgter Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils mit Schrift vom...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge