Entscheidungsstichwort (Thema)
Weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers
Leitsatz (amtlich)
Die Einwilligung des Betreuers eines nicht mehr entscheidungsfähigen volljährigen Betroffenen, der sich seit mehreren Jahren im Wachkoma befindet und dessen mutmaßlicher Wille feststellbar ist, in den Abbruch der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts analog § 1904 Abs. 1 BGB.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Freiburg vom 20. März 2001 und des Landgerichts Freiburg vom 15. Mai 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Freiburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der 65 Jahre alte Betroffene erlitt am 2.8.1996 eine Lungenembolie mit Herzkreislaufstillstand. Seit der sofort durchgeführten Notoperation befindet er sich in einem Wachkoma (sog. apallisches Syndrom). Vom Koma abgesehen ist sein Zustand, der seit über fünf Jahren unverändert ist, stabil. Er kann hören, aber nicht kommunizieren. Er wird im St. C gepflegt. Ernährt wird er über eine Magensonde durch die Bauchdecke. Eine eigenständige Nahrungsaufnahme ist ihm nicht möglich. Er atmet selbständig, hat jedoch eine Trachealkanüle.
Das Amtsgericht Freiburg hat durch Beschluss vom 8.10.1996 für den Betroffenen dessen Ehefrau, Frau H. F., für die Aufgabenbereiche der Vermögenssorge, der Aufenthaltsbestimmung und der Sorge für die Gesundheit als Betreuerin bestellt. Am 20.9. 2000 hat sie den Antrag gestellt, ihr eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dahingehend zu erteilen, dass es ihr erlaubt sei, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen bzw. einstellen zu lassen.
Mit Beschluss vom 22.9.00 hat das Amtsgericht für den Betroffenen Rechtsanwalt Dr. R. als Pfleger für das Verfahren bestellt. Am 28.9.00 hat sich der Vormundschaftsrichter einen persönlichen Eindruck vom Zustand des Betroffenen verschafft. Eine Kommunikation war nicht möglich.
Nach Anhörung der Kinder des Betroffenen (AS 525, 531 und 551) und seiner Schwester (AS 535), die sich alle für eine Beendigung der künstlichen Ernährung ausgesprochen und Umstände mitgeteilt haben, die auf einen entsprechenden Willen des Betroffenen schließen lassen, sowie des Verfahrenspflegers (AS 537 ff) hat das Amtsgericht den Antrag der Betreuerin durch Beschluss vom 20.3.01, auf den hinsichtlich der Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass die Entscheidung, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen oder einstellen zu lassen, nicht genehmigungsfähig sei. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Entscheidung, die Ernährung des Betroffenen mit dem Ziel einzustellen, ihn sterben zu lassen, nicht vom Aufgabenkreis der Betreuerin umfasst sei und ihr auch nicht als Aufgabe übertragen werden könne. Selbst bei gegenteiliger Ansicht käme eine analoge Anwendung des § 1904 BGB nicht in Betracht. Ein Betreuerwechsel oder die Erteilung von Anweisungen an die Betreuerin seien nicht veranlasst, da der beabsichtigte Behandlungsabbruch in Ansehung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien nicht rechtswidrig sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrenspfleger, der die Entscheidung der Betreuerin über die Einstellung der Sondenernährung für genehmigungsbedürftig hält, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Maßnahme mit derart weitreichenden Konsequenzen bedürfe der Kontrolle und Absicherung durch eine unabhängige Instanz, also durch das Vormundschaftsgericht. Aufgabe des Betreuers sei es, die Entscheidung zu treffen, die dem mutmaßlichen Willen und dem Wohle des Betreuten entspreche. Dass der Gesetzgeber den vorliegenden Sachverhalt nicht ausdrücklich geregelt habe, stehe einer analogen Anwendbarkeit des § 1904 BGB nicht entgegen. Wenn der Betreuerin die Entscheidungsbefugnis abgesprochen werde, führte dies zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass Angehörige und Ärzte eine im Vergleich zur Betreuerin weitergehende Stellung hätten, obwohl zumindest bei Angehörigen eine Missbrauchsgefahr stärker zu befürchten sei. Eine präventive gerichtliche Kontrolle zum Schutze des Betreuten sei unabdingbar.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 15.5.01 die Beschwerde zurückgewiesen (AS 595). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag der Betreuerin nicht genehmigungsfähig sei, weil der beabsichtigte Abbruch der Ernährung des Betroffenen mit dem Ziel des Todes von den der Betreuerin übertragenen Aufgabenkreisen nicht gedeckt sei. Das Amtsgericht habe zu Recht auch eine analoge Anwendung des § 1904 BGB abgelehnt. Es fehle an der Vergleichbarkeit der dort geregelten Fälle mit dem hier beabsichtigten Behandlungsabbruch. Ferner fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Wenn schon weniger bedeutsame Maßnahmen in grundrechtsrelevanten Bereichen (Wohnungsbetretungsrecht, ambulante Zwangsmedikation) ohne ausdrückliche gesetzliche Regelungen nicht genehmigungsfähig seien, bedürfe erst r...