Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsverteilung zwischen einem auf einer Bundesstraße wendenden Pkw und einem infolge Abbremsens stürzenden Motorrad. Schmerzensgeld für die Verursachung eines Verkehrsunfalls bei einem Mitverschulden der Geschädigten in Höhe von 25 %
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Wer auf freier Strecke einer viel befahrenen Bundesstraße wendet, haftet wegen seines erheblichen und groben Verschuldens zu 75 % für die Folgen eines Unfalls, wenn ein sich nähernder Motorradfahrer infolge Abbremsens zum Sturz kommt und sich verletzt.
b) Der Motorradfahrer haftet zu 25 %, wenn ihm bei Einhaltung der vor Ort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h ein gefahrloses vollständiges Abbremsen vor der Unfallstelle möglich und der Unfall für den Kläger und bei angemessener Reaktion auf die durch das Verhalten des Unfallgegners geschaffene unklare Verkehrslage vermeidbar gewesen wäre.
2. 9750 EUR Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von ¼ für einem Mann, der bei einem Verkehrsunfall eine Talusfraktur (Sprungbein), eine Weber-A-Fraktur links, ein präpatellares Décollement rechts sowie eine prätibiale Schürfwunde rechts erlitt.
13 Tage stationäre Behandlung.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 17. August 2009 - 2 O 334/06 - wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Der Streitwert wird für die Berufung festgesetzt auf 14.727,91 Euro.
Gründe
I.
Für den zugrunde liegenden Sachverhalt wird auf das angefochtene Urteil und den Hinweisbeschluss des Senats vom 21.09.2009 verwiesen. Die Stellungnahme des Klägers und Berufungsführers vom 21.10.2009 gibt keinen Anlass, für eine vom vorgenannten Hinweisbeschluss abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
II.
1. Soweit der Kläger seine Auffassung bekräftigt, bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile gemäß § 17 Abs. 3 StVG sei zu seinen Lasten allenfalls die Betriebsgefahr, nicht aber ein Mitverschulden anzusetzen, wiederholt er seine von der Beurteilung des Senats abweichende Beurteilung des Sachverhalts. Den von ihm nunmehr hervorgehobenen Umstand, dass sein Unfallgegner den Wendevorgang nicht in einem Zug durchgeführt hat, sondern in die Fahrbahn hat zurücksetzen müssen, hat der Senat bei seiner Abwägung berücksichtigt. Eine Veränderung der Haftungsquote ergibt sich damit nicht. Der Senat bemisst die Sorgfaltsanforderungen an den Kläger nicht am Maßstab der Fähigkeiten eines idealen Motorradfahrers; vielmehr stellt er ausdrücklich darauf ab, dass der Kläger nach Erkennen des Wendevorganges und einer problemlos möglichen Teilbremsung bei Erkennen des Wiederanfahrvorganges die Kollision noch hätte vermeiden können. Bei dieser Konstellation spricht für den Ansatz eines leichten Mitverschuldens des Klägers insbesondere der Umstand, dass er bei Erkennen des grob verkehrswidrigen Wendemanövers des Versicherungsnehmers der Beklagten die spätere Kollision durch entsprechend angepasstes und vorsichtiges Fahrverhalten durch eine für ihn problemlose Bremsung hätte abwenden können. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 21.09.2009 wird verwiesen.
2. Zur Schadensposition "Motorrad-Schutzkleidung" enthält die Stellungnahme keine weiterführenden Gesichtspunkte.
3. Soweit der Kläger zur Position "Überführungskosten 100 Euro" darauf abhebt, der Restwert des Motorrades werde ohnehin abgezogen und im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit stehe es ihm frei, das Motorrad zu sich nach Hause zu bringen, um noch brauchbare Teile zu verwerten, stellen die Erwägungen des Hinweisbeschlusses vom 21.09.2009 diese Dispositionsfreiheit des Klägers nicht in Frage. Allerdings ist schadensersatzrechtlich zu berücksichtigen, dass etwaige Mehrkosten durch eine Verwertung des Motorrades nach Überführung an seinen Wohnort nicht vom Schädiger getragen werden müssen. Vielmehr sind die Kosten einer Überführung vom Kläger zu tragen, wenn er den Restwert des Motorrades, wovon bei Fehlen diesbezüglichen konkreten Sachvortrags regelmäßig auszugehen sein wird, auch ohne eine solche zu realisieren vermag.
4. Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes ist auch nach dem Inhalt des neuen Vortrages in der Stellungnahme vom 21.10.2009 zu der am 04./05.06.2009 im Rahmen eines 2tägigen stationären Aufenthalts durchgeführten Operation (Arthroskopie des oberen Sprunggelenks mit partieller Synovektomie und Anbohrung des Talus) nicht veranlasst. Denn grundsätzlich wird das Schmerzensgeld unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes bemessen. Mit dem Schmerzensgeldbetrag werden nach ständiger Rechtsprechung alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die zum Zeitpunkt der Entscheidung entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Ents...