Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG kann ein Erbbaurecht nur zur ausschließlich ersten Rangstelle am Erbbaugrundstück bestellt werden, es sei denn, dass gem. §§ 10 Abs. 2 ErbbauRG, 1 ErbbauRGV BW vom Erfordernis der ersten Rangstelle durch die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses abgewichen werden kann. Dazu muss das Grundbuchamt feststellen, dass dies weder für den Berechtigten des eingetragenen Rechts noch für den Bestand des Erbbaurechts schädlich ist.
2. Bei der Auslegung des Begriffs der "Schädlichkeit" im Sinne der §§ 10 Abs. 2 ErbbauRG, 1 ErbbauRGV BW ist danach zu differenzieren, ob es um "Schädlichkeit" für den Bestand des Erbbaurechts oder Schädlichkeit für die Person des Berechtigten des vorrangig eingetragenen dinglichen Rechts geht.
3. "Schädlichkeit" für den Berechtigten des eingetragenen Rechts liegt dabei bei sachgerechter Auslegung des Begriffs schon dann vor, wenn das Nebeneinander des erstrangig eingetragenen dinglichen Rechts sowie des nachrangig einzutragenden Erbbaurechts zu mehr als lediglich geringfügigen wirtschaftlichen Nachteilen führen würde. Dagegen ist mit "Schädlichkeit" für den "Bestand des Erbbaurechts" jede nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung der aus dem Erbbaurecht folgenden Rechtsposition gemeint.
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen vom 07.02.2023 ... wird zurückgewiesen.
2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten der Antragstellerin werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin greift die Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses nach §§ 1 ff. ErbbauRgV BW durch das Amtsgericht - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen an.
Mit Einreichung der notariellen Urkunde UR ... vom 30.11.2021 durch Notar ... beantragten die Erbbauberechtigten ... und ... und bewilligte die Antragstellerin als Grundstückseigentümerin die Eintragung eines Erbbaurechts am Grundstück Flurstück ... im Grundbuch von ... Blatt Nr. .... Unzutreffend ist in dem notariellen Erbbaurechtsvertrag unter "I. Vorbemerkungen" vermerkt, das Grundstück sei in Abt. II und III des Grundbuchs lastenfrei. Tatsächlich ist das Grundstück in Abt. II Nr. 4 mit einer Grunddienstbarkeit (Kanalrecht, ausweislich der Eintragungsbewilligung mit Betretungsrecht zur Unterhaltung und Erneuerung) belastet. Das Grundbuchamt hat Notar ... mit Zwischenbescheid vom 12.12.2022 darauf hingewiesen, dass die bereits eingetragene Grunddienstbarkeit der Eintragung des Erbbaurechts vor dem Hintergrund des Erfordernisses der ersten Rangstelle gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG entgegenstehe. Die vom Grundbuchamt erbetene Löschungsbewilligung oder die Rangrücktrittsbewilligungen der Grunddienstbarkeitsberechtigten zum Zwecke der Verschaffung der ersten Rangstelle des Erbbaurechts wurde in der Folge nicht beigebracht.
Stattdessen beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.02.2023 ein Unschädlichkeitszeugnis gemäß § 1 ErbbauRgV BW. Zur Begründung ihres Antrags führte sie unter anderem aus, die Dienstbarkeit sei weder für die Dienstbarkeitsberechtigten noch für den Bestand des Erbbaurechts schädlich. Das unterirdische Leitungsrecht sei nach telefonischer Aussage der Erbbauberechtigten für die angestrebte Bebauung nicht störend. Eine Rangrücktrittserklärung der Berechtigten des bisher eingetragenen Rechts sei nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erlangen, jedenfalls nicht kurzfristig. Die Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch sei höchst eilbedürftig, ein weiteres Zuwarten den Beteiligten nicht zumutbar. Bei den Dienstbarkeitsberechtigten handele es sich um die Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstücks Flurstück ..., eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Parteien. Die Anschriften der Wohnungseigentümer seien nicht bekannt. Es sei davon auszugehen, dass es sich hier teilweise um Zweitwohnungen handele, deren Eigentümer nicht in ... wohnten. Die Stadt ... benötige dringend Wohnraum, weshalb die Realisierung des im Erbbaurechtsvertrag geregelten Projektes durch die Erbbauberechtigten von großer Bedeutung sei. Den Erbbauberechtigten drohten, wenn sie das beabsichtigte Projekt nicht rasch realisierten, finanzielle Nachteile unterschiedlicher Art, letztlich drohe das Projekt insgesamt zu scheitern. Wegen der weiteren Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf das Schreiben der Stadt ... - Abteilung Grundstücksmanagement - vom 03.02.2023 Bezug genommen.
Die Erbbauberechtigten haben gemäß § 2 Abs. 3 ErbbbauRgV BW der nachrangigen Bestellung des Erbbaurechts zugestimmt.
Mit Beschluss vom 07.02.2023 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen den Antrag nach § 18 Abs. 1 GBO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die nur in absoluten Ausnahmefällen mögliche Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses nicht vorlägen. Zum einen könne das Grundbuchamt entgegen § 1 Erbb...