Leitsatz (amtlich)
Gegenüber Familienangehörigen, die nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags, sondern nur gelegentlich aus familiärer Verbundenheit im Unternehmen aushelfen, ist der Unternehmer nicht verpflichtet, die in § 20 Abs. 1 FPersV genannten Bescheinigungen auszustellen.
Normenkette
FPersV § 20 Abs. 1 S. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 10
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts O. vom 9. März 2009 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Gründe
I. Das Amtsgericht O. verurteilte den Betroffenen mit dem Beschluss vom 09.03.2009 wegen fahrlässigen Nichtaushändigens von Nachweisen über berücksichtigungsfreie Tage zu der Geldbuße von 500,00 Euro.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
II. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts betreibt der Betroffene in O. eine kleine Spedition mit zwei LKW. Sein Sohn D. K., der bei einem anderen Arbeitgeber - nicht als Kraftfahrer - beschäftigt ist, hilft ihm gelegentlich als Fahrer aus, wenn "Not am Mann ist". Am 26.03.2008 hatte der Betroffene seinen Sohn gebeten, als Fahrer eines Sattelzuges mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 35 Tonnen zur Erledigung eines Fuhrauftrags einzuspringen. Dieser Bitte entsprechend übernahm es D. K. 19 Tonnen Holz zu einem Kunden zu fahren. Unterwegs wurde er von Polizeibeamten kontrolliert. Dabei konnte er die gemäß § 20 FPersV erforderlichen Bescheinigungen über die letzten 28 Tage nicht vorweisen, da der Betroffene ihm diese Bescheinigung nicht ausgestellt und übergeben hatte. Der Betroffene war der Meinung, dass er zur Ausstellung dieser Bescheinigungen nur gegenüber angestellten Fahrern, nicht aber gegenüber seinem nur gelegentlich als Fahrer einspringenden Sohn verpflichtet sei. Das Amtsgericht sah hierin einen vermeidbaren Verbotsirrtum und hat deshalb eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung angenommen.
III. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Nr. 10 FPersV nicht.
Nach dieser Bestimmung handelt ordnungswidrig, wer als Unternehmer Bescheinigungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 FPersV nicht ausstellt. § 20 Abs.1 FPersV bestimmt, dass Fahrer, die die an sich vorgeschriebenen Schaublätter über Lenk- und Ruhezeiten nicht vorlegen können, weil sie an einem oder mehreren der vorausgegangenen 28 Kalendertage kein nachweispflichtiges Fahrzeug geführt haben, hierüber eine Bescheinigung des Unternehmers vorlegen müssen, der seinerseits verpflichtet ist, eine solche Bescheinigung zu erstellen und dem Fahrer auszuhändigen.
Allerdings trifft diese Pflicht den Unternehmer nur im Verhältnis zu den bei ihm angestellten in das Unternehmen eingegliederten Fahrern (OLG Celle NStZ-RR 2008, 386ff.; OLG Koblenz B. v. 10.08.2009, 1SsBs 83/09 in juris; Lütkes/Ferner/Kramer Straßenverkehr, § 20 FPersV Rn 3). Diese Einschränkung folgt aus dem Regelungszweck des FPersG, der FPersV und den ihnen zugrunde liegenden Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 561/2006 sowie des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR). Als Sozialvorschriften haben sie die Regelung und Überwachung der Arbeitsbedingungen des Fahrpersonals (OLG Celle aaO.) und die Verbesserung seiner sozialen Bedingungen (Präambel Ziff. 17 der VO (EG) 561/2006) zum Ziel. Deshalb knüpfen die Pflichten des Unternehmers aus § 20 FPersV an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses an (OLG Koblenz aaO.). Familienangehörige, die, wie der Sohn des Betroffenen im vorliegenden Falle, nur gelegentlich aus familiärer Verbundenheit im Unternehmen aushelfen und nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages tätig werden, stehen zu dem Unternehmer in keiner Beziehung, die als Beschäftigungsverhältnis angesehen werden könnte (LütkesFerner/Kramer aaO.; Andresen/Winkler, Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer,3. Auflage 2001, S. 16), da es an einem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht des Unternehmers und einem daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnis fehlt. Die sozial- und arbeitsschutzrechtlichen Zielsetzungen des Fahrpersonalrechts erfassen diesen Personenkreis nicht. Ihnen gegenüber ist der Unternehmer deshalb nicht verpflichtet, die in § 20 Abs.1 FPersV genannten Bescheinigungen auszustellen.
Dies hat das Amtsgericht verkannt. Der Beschluss des Amtsgerichts musste deshalb aufgehoben werden. Da nicht zu erwarten ist, dass in einer erneuten Hauptverhandlung neue tatsächliche Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen würden, hat der Senat in der Sache selbst entschieden und den Betroffenen freigesprochen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 467, 473 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2578440 |
Die Justiz 2011, 12 |