Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung über das Ob und Wie der Durchführung einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung vermittels einer Medikation mit Methylphenidat handelt es sich gemäß § 1628 Satz 1 BGB um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind im Bereich der Gesundheitssorge.
Verfahrensgang
AG Bruchsal (Aktenzeichen 2 F 391/24) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bruchsal vom 10.05.2024, Az. 2 F 391/24, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdeverfahrenswert wird festgesetzt auf 4.000,- Euro.
Gründe
I. Der Antragsgegner und Vater wendet sich mit seiner Beschwerde gegen eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB.
Mit Beschluss vom 10.05.2024, Az. ..., hat das Amtsgericht - Familiengericht - B. der Antragstellerin und Mutter das Recht zur Entscheidung über die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung des gemeinsamen Kindes A. P., geboren am 08.03.2016, im Kontext seiner Diagnose hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens mit ADHS zur alleinigen Regelung und Ausübung übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Eltern könnten sich nicht über die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung für ihren Sohn A. einigen, hierbei handele es sich evident um eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung.
Während die Mutter eine Weiterbehandlung mit einer Höherdosierung der Medikation mit Methylphenidat begehre, wolle der Vater aktuell eine Weiterbehandlung nur unter Beibehaltung der Medikation mit 10 mg bei sukzessiver Zustimmung um jeweils drei Monate sowie eine Höherdosierung nur bei für ihn nachvollziehbarer Indikation.
Vor dem Hintergrund des bestehenden Elternkonflikts und Konfliktpotentials habe die bisher behandelnde Fachärztin einer Weiterbehandlung durch ihre Person eine Absage erteilt, da eine medikamentöse Behandlung so nicht sinnvoll durchgeführt werden könne. Damit stehe das Ob und das Wie der psychiatrischen Weiterbehandlung in Frage.
Maßstab sei das Kindeswohl bzw. welche Entscheidung dem Wohl des Kindes besser entspreche § 1697a BGB.
Hiernach entspreche es dem Wohl von A. besser, wenn der Mutter die Entscheidung über seine psychiatrische Behandlung zur Regelung übertragen werde, da nur so eine kontinuierliche Behandlung gewährleistet sei.
Seit April 2022 stehe zwischen den Eltern der Streit über eine medikamentöse Behandlung von A. immer wieder im Fokus. Der Empfehlung des behandelnden Facharztes Dr. K., KJP Karlsruhe, vom 22.07.2022 über eine Einstellung mit Methylphenidat habe der Vater nicht zu folgen vermocht. Auch der gleichlautenden Empfehlung der Rehaklinik Edelsteinklinik Bruchweiler dokumentiert mit Entlassungsbrief vom 06.04.23 habe er sich verschlossen unter Hinweis, das laufende Gutachten/familiengerichtliche Verfahren abwarten zu wollen. Gegenüber dem Sachverständigen Prof Dr. G. in den Umgangs- und Sorgerechtsverfahren 2 F 932/22 und 2 F 1173/22 habe sich der Vater gleichfalls hochambivalent gezeigt, was für den Sachverständigen schließlich rational nicht nachvollziehbar erschienen sei.
Erst im September 2023 - kurz vor Abschluss des amtsgerichtlichen Sorgerechtsverfahrens Az. 2 F 932/22 und mithin über ein Jahr nach der ersten fachärztlichen Empfehlung einer Medikation - habe der Vater seine Zustimmung zu einer medikamentösen Behandlung mit 10 mg Medikinet für drei Monate mit Hinweis weiterer sukzessiver Zustimmungen für jeweils drei Monate nach jeweiliger ärztlicher Rücksprache erteilt.
Dieses ambivalente und zögerliche Verhalten des Vaters in Bezug auf die Medikationsthematik unter Anführung nicht nachvollziehbarer und wenig überzeugender Gründe sei bereits in dem vorangegangenen Sorgerechtstreit durch das Amtsgericht (Az. 2 F 1173/22) und durch das Oberlandesgericht Karlsruhe im Beschluss vom 08.02.2024 (Az. 20 UF 201/23) unmissverständlich als kritisch bewertet worden, den körperlichen und emotionalen Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden.
Schließlich habe das Konfliktverhalten der Eltern und damit zumindest auch die Haltung des Vaters im Kontext mit einer möglicherweisen Höherdosierung jetzt zum Abbruch der psychiatrischen Behandlung durch die Fachärztin Dr. H. geführt.
Insoweit den Abbruch der Behandlung allein der Mutter zuzuschreiben gehe fehl und sei nicht schlüssig.
Vielmehr sei die Haltung der Fachärztin, vorliegend die Behandlung zu beenden, durchaus nachvollziehbar und fachlich begründet. Auf verschiedene Weise habe der Vater schlussendlich ihre Arbeit und damit auch ihre Kompetenz immer wieder nicht nur kritisch hinterfragt, sondern letztlich in Frage gestellt. Dies bereits mit den sukzessiven Einwilligungen begrenzt auf drei Monate bei einer Behandlung die letztlich auf eine längere Zeit über Monate und ggf. Jahre angelegt sei. Damit sei ein kontinuierliches fachliches Arbeiten nicht möglich.
Weiter sei die Fachärztin auf die Rückmeldungen der Eltern bzgl. des Verhaltens ihres Sohnes angewiesen, um so auch festzustellen, ob die Med...