Leitsatz (amtlich)
1. Eine sofortige Beschwerde, mit der die Erstreckung einer Geheimhaltungsanordnung auf weitere Personen erstrebt wird, ist nicht zulässig.
2. Der Ausschluss einer selbstständigen Anfechtbarkeit der von einer Geheimhaltungsverpflichtung absehenden Entscheidung hat grundsätzlich keine Verkürzung der Rechte des Geheimnisträgers zur Folge, weil eine effektive Überprüfung mit dem gegen die Endentscheidung eingelegten Rechtsmittel möglich bleibt.
Normenkette
GVG §§ 172, 174
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 12.07.2023 (Az. 1 O 201/22) über die Verpflichtung zur Geheimhaltung wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Das Beschwerdeverfahren betrifft eine Geheimhaltungsanordnung gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 S. 2 GVG.
In der Hauptsache streiten die Parteien über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen in der bei dem Beklagten, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, bestehenden privaten Krankenversicherung des Klägers. Der Kläger begehrt insoweit die Feststellung der Unwirksamkeit verschiedener Prämienanpassungen und macht einen Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung geltend. Zur Begründung behauptet der Kläger die formelle Unwirksamkeit der Anpassungen und bestreitet weiter, dass das Prüfverfahren des § 155 Abs. 2 VAG ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Nachdem Verhandlungstermin bestimmt war, hat das Landgericht mit Beschluss vom 20.03.2023 den Beklagten aufgefordert, die dem Treuhänder zur Verfügung gestellten Unterlagen nebst Inhaltsverzeichnis "zur Übersendung an eine/die zur Geheimhaltung verpflichtete/n Personen auf Klägerseite vorzubereiten" und mit näheren Maßgaben ein Verfahren zur Geheimhaltungsverpflichtung nach § 174 Abs. 3 GVG im anberaumten Termin angekündigt. Die geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen würden anschließend ausschließlich denjenigen Personen zur Verfügung gestellt, die nach § 174 Abs. 3 GVG zur Geheimhaltung verpflichtet wurden.
Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 10.05.2023 ein Anlagenverzeichnis von Unterlagen vorgelegt, welche den Treuhändern vorgelegen hätten, und anhand derer ein Sachverständiger die materielle Berechtigung der strittigen Anpassungen bestätigen könne. Mit weiterem Schriftsatz vom 16.05.2023 hat er auf USB-Stick "Treuhänderunterlagen" eingereicht mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass diese bis zur Anordnung der Geheimhaltung gemäß § 174 GVG nicht an die Gegenseite herausgegeben werden dürften. Gemäß Verfügung des Landgerichts vom 19.05.2023 wurden die USB-Sticks gesondert in der Geschäftsstelle verwahrt und nicht an die Klagepartei übersandt.
Im Verhandlungstermin vom 12.07.2023 sind für beide Parteien terminsbevollmächtigte Rechtsanwälte, nicht aber die Prozessbevollmächtigten, erschienen. Nach Antragstellung wurde über den Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, die Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 und 174 GVG ausgeschlossen und nach weiterer Verhandlung über den Antrag auf Geheimhaltungsverpflichtung folgender Beschluss gefasst:
"Den in der hiesigen Sitzung des Landgerichts Baden-Baden vom 12.07.2023 nach Ausschluss der Öffentlichkeit Anwesenden und im folgenden genannten Personen
Rechtsanwalt H. als Vertreter des Klägers,
Rechtsanwalt W. als Terminsvertreter der Beklagten
wird zur Pflicht gemacht den Inhalt der im Folgenden als betroffenen Dokumente aufgelisteten, durch Vorlage der Beklagten zur Akte zum amtlichen Schriftstück gewordenen Dokumente der Anlage zum Schriftsatz vom 16.05.2023, soweit im Folgenden ausdrücklich benannt, geheim zu halten und die hierauf bezogene Erörterung während der nichtöffentlichen Verhandlung am 07.06.2023 einzuhalten.
Betroffene Dokumente sind [...]"
Am Sitzungsende wurde nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit durch Beschluss unter anderem angekündigt, einen der eingereichten USB-Sticks mit den dort gespeicherten Unterlagen nach Ablauf der Beschwerdefrist "an den Terminsvertreter H., der zur Geheimhaltung verpflichtet wurde", zu übersenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 12.07.2023 nebst den dort als Anlage beigefügten Beschlüssen verwiesen.
Mit am 26.07.2023 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Geheimhaltungsbeschluss vom 12.07.2023 eingelegt. Er macht geltend, Ziel der Beschwerde sei nicht die Erstreckung der Geheimhaltungsanordnung auf die im Termin nicht anwesende Klägerseite und deren Hauptbevollmächtigten, sondern deren vollständige Aufhebung und daneben dessen Neuerlass unter Einbeziehung der Klägerseite und deren Hauptbevollmächtigten. Die ergangene Geheimhaltungsanordnung gegenüber einem Terminsvertreter der Klagepartei sei nicht geeignet, das Geheimhaltungsinteresse des Beklagten zu wahren. Der Beklagte habe ein Interesse, die an den Treuhänder übergebenen Unterlagen nur solchen Personen zugänglich zu machen, welche einer strafbewehrten Geheimhaltungspflicht unterliegen. Diesem Geheimhaltungsin...