Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Diskothekenbetreibers: Verunreinigung des Fußbodens durch verschüttete Flüssigkeiten und Glasscherben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine mit erhöhter Rutschgefahr verbundene Verunreinigung des Fußbodens einer Diskothek durch Flüssigkeit und Glasscherben lässt auf eine objektive Verletzung der den Betreiber treffenden Pflicht schließen, die Böden der dem Publikumsverkehr dienenden Räume während der Öffnungszeiten so weit wie möglich frei von Gefahren zu halten.

2. Im Falle einer objektiven Pflichtverletzung ist es Sache des Diskothekenbetreibers, darzulegen und zu beweisen, dass ihn und seine Angestellten kein Verschulden an dem ordnungswidrigen Zustand trifft. Hierzu hat er sowohl ein Organisationsverschulden als auch Mängel bei der Ausführung der getroffenen Organisationsanordnungen auszuschließen.

3. Der Besucher einer Diskothek hat nur bei Vorliegen besonderer Umstände mit einer Verunreinigung des Fußbodens und der damit verbundenen Rutschgefahr zu rechnen.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 26.07.2007; Aktenzeichen 2 O 31/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen Ziff. 1 des Urteils des LG Freiburg vom 26.7.2007 - 2 O 31/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteils lautet:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.4.2007 zu bezahlen. Diese Verurteilung ist beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung gegen die B. Versicherung, Vers. Nr.:...

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, soweit es von dem Kläger aufgenommen worden ist.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das aufgenommene Berufungsverfahren wird auf 7.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger hat die F. GmbH, über deren Vermögen im Laufe des Berufungsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auf Ersatz seines durch eine Körperverletzung entstandenen Schadens in Anspruch genommen.

Die GmbH hat eine Diskothek in F. betrieben. Der im Jahr 1982 geborene Kläger hat die Diskothek am Abend des 16.4.2006 in Begleitung von Freunden besucht. Als er in den frühen Morgenstunden des 17.4.2006 auf den Boxball eines dort aufgestellten Boxautomaten schlagen wollte, ist er gestürzt und hat sich eine tiefe Schnittwunde im rechten Handgelenk mit einer arteriell spritzenden Blutung zugezogen. Der Notarzt wurde gerufen und der Kläger in die Universitätsklinik Freiburg gebracht. Dort wurde u.a. eine Durchtrennung des nervus medianus diagnostiziert. Der Kläger wurde operiert; sein stationärer Aufenthalt in der Klinik dauerte bis zum 20.4.2006. Ausweislich eines ärztlichen Attestes war die Sensibilität im Gebiet des mit einer Nervennaht operativ versorgten Nervs bei gleichzeitigen Paraesthesien am 19.3.2007 noch deutlich herabgesetzt. In dem Attest wird ausgeführt, es liege eine ausgedehnte und wohl auch bleibende Medianusschädigung vor. Da nicht mit einer völligen Herstellung des Nervenverlaufs zu rechnen sei, sei der Kläger wohl langfristig in seinem Beruf als Heizungsbauer nicht mehr einsetzbar.

Der Kläger hat behauptet, der Boxautomat, der die Schlagstärke messe, sei an einer recht schlecht ausgeleuchteten Stelle auf Fliesenboden gestanden. Als er ausgeholt und auf den Boxball geschlagen habe, sei er auf dem nassen Boden ausgerutscht und gestürzt. Auf dem Boden habe zerbrochenes Glas gelegen, in das er gefallen sei. Er habe an dem Abend keinen Alkohol getrunken. Der GmbH falle eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last. Vor einem Boxautomaten müsse man einen sicheren Stand haben und die Stelle müsse ausgeleuchtet sein. Feuchtigkeit und Scherben müssten entfernt werden. Während seines Aufenthaltes in der Diskothek seien keine Reinigungsarbeiten vorgenommen worden. Er sei Rechtshänder und es bestehe die Gefahr, dass er seinen erlernten Beruf künftig nicht mehr ausüben könne; er könne mit der Hand nicht mehr kräftig zugreifen, schwere Gegenstände nicht mehr halten und habe Schmerzen beim Beugen und Strecken des Handgelenks und der Finger. Ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR sei angemessen.

Die GmbH hat geltend gemacht, sie gehe davon aus, dass der Kläger alkoholisiert gewesen sei. Er habe wohl einen Anlauf genommen und sei dabei ausgerutscht. Nachermittlungen hätten ergeben, dass der Kläger in sein eigenes Glas gefallen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass sie Sorgfaltspflichten verletzt habe. Es seien permanent drei bis vier Mitarbeiter unterwegs, um Gläser und Flaschen einzusammeln und Verunreinigungen zu beseitigen. Sie habe auch Personen, die diese kontrollierten. Auch an diesem Abend seien Reinigungsarbeiten ausgeführt worden. Da der Boxautomat in einer Entfernung von zwei bis drei Metern zu der Getränkeausgabetheke stehe, hörten die dort tätigen Mitarbeiter, wenn ein Glas zerbreche. Sie hätten die Anweisung, die Scherben unverzüglich aufzusammeln, und täten dies ...

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