Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Verbraucherinformationen beim Policen-Modell
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Beginn der Widerspruchsfrist bei einem Versicherungsvertrag im Policen-Modell muss der Versicherungsnehmer auch die Verbraucherinformationen gemäß Anlage D Abschnitt I VAG a. F. vollständig erhalten.
2. Wenn der Versicherer im Policen-Modell den Antrag des Versicherungsnehmers durch Übersendung des Versicherungsscheins annimmt, ist eine Belehrung über die Antragsbindungsfrist (Anlage D Abschnitt I Ziff. 1 f) VAG a. F.) nicht erforderlich.
3. Die Verbraucherinformationen zu Lebensversicherungen gemäß Anlage D I Ziff. 2 VAG a. F. betreffen zum Teil komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge. Für den Beginn der Widerspruchsfrist im Policen-Modell reicht es aus, wenn der Versicherungsnehmer einen groben Überblick über die wesentlichen Eckpunkte der maßgeblichen Umstände erhalten hat.
Normenkette
VAG a. F. Anlage D; VAG a. F. § 10a; VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Aktenzeichen 1 O 52/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 30.03.2017 - 1 O 52/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteils sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin stellte am 20.12.2006 auf einem Formular der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages, der die Zahlung einer Altersrente zum Gegenstand haben sollte ("G. Basisrente"). Die Beklagte stellte am 03.01.2007 eine Versicherungspolice aus, welche sie der Klägerin mit verschiedenen Anlagen übersandte. Der Versicherungsschein enthielt ein unzutreffendes Geburtsdatum der Klägerin. Mit Schreiben vom 14.02.2007 (I 205 ff.) nahm die Beklagte erneut den Versicherungsantrag der Klägerin an und übersandte einen Versicherungsschein mit korrigiertem Geburtsdatum der Klägerin nebst Anlagen. Es war eine monatliche Beitragszahlung von 100,00 EUR vereinbart. Die Altersrente sollte ab dem 01.01.2045 gezahlt werden. Es handelte sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung, bei welcher die Beiträge der Klägerin - entsprechend bestimmter Regelungen in den Versicherungsbedingungen - in verschiedene Fonds investiert werden sollten. Die Klägerin wurde im Anschreiben der Beklagten vom 14.02.2007 über ihr Widerspruchsrecht wie folgt informiert:
Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
Im Versicherungsschein wurden verschiedene Unterlagen bezeichnet, welche Vertragsbestandteile sein sollten. Diese Unterlagen waren dem Versicherungsschein unstreitig beigefügt (vgl. die Unterlagen I 209 ff.).
Die Klägerin zahlte in den folgenden Jahren insgesamt 11.300,00 EUR Prämien an die Beklagte. Mit Schreiben vom 29.11.2015 (I 61) erklärte sie, sie widerspreche gemäß § 5 a VVG a. F. dem Zustandekommen des abgeschlossenen Versicherungsvertrages. Gleichzeitig forderte die Klägerin die Beklagte auf, die erbrachten Versicherungsprämien zuzüglich der gezogenen Nutzungen und abzüglich der Risikoanteile an sie auszubezahlen. Die Beklagte widersprach dieser Forderung mit Schreiben vom 10.12.2015 (I 63). Die Klägerin sei nach Ablauf der Widerspruchsfrist nicht mehr zu einem Widerspruch berechtigt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über verschiedene Details bezüglich des Versicherungsvertrages verlangt, und sodann - zunächst unbeziffert - Zahlung eines Betrages, welcher erst nach vollständig erfolgter Auskunft beziffert werden könne. Sie hat geltend gemacht, sie sei noch im Jahr 2015 berechtigt gewesen, dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages im Jahr 2007 zu widersprechen. Daraus ergebe sich ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dieser Anspruch umfasse die Rückzahlung der Prämien nebst den gezogenen Nutzungen.
Die Beklagte ist der Klage mit verschiedenen Einwendungen entgegengetreten. Insbesondere sei der von der Klägerin erklärte Widerspruch unwirksam, weil die Widerspruchsfrist bereits im Jahr 2007 abgelaufen sei.
Mit Urteil vom 30.03.2017 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Widerspruch der Klägerin sei verspätet, da die Widerspruchsfrist abgelaufen sei. Die Widerspruchsbelehrung der Beklagten im Schreiben vom 14.02.2007 sei korrekt. Die Klägerin habe mit dem Versicherungsschein gleichzeitig sämtliche gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a. F. erforderliche Unterlagen ...