Leitsatz (amtlich)
1. Schikanöses oder sogar kriminelles Verhalten eines Nachbarn begründet keinen Sachmangel eines Grundstücks. Auch eine vorvertragliche Aufklärungspflicht für den Verkäufer eines Grundstücks besteht nur, wenn Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes zu erwarten sind.
2. § 238 StGB und § 241 StGB sind Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
3. Wer seine Nachbarn durch Nachstellungen und Bedrohungen in adäquat kausaler Weise zum Wegzug veranlasst, ist zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die den Nachbarn durch Maßnahmen zur Wiederherstellung ihres persönlichen Sicherheitsgefühls entstehen (hier: Umzugskosten sowie Notarkosten und Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines neuen Wohnhauses). Demgegenüber sind bloße Vermögensfolgeschäden (hier: Wertverlust am verlassenen Eigenheim, Nebenkosten dessen Veräußerung) nicht vom Schutzzweck der verletzten Strafnormen erfasst.
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20.3.2020, Az. 1 O 105/18, teilweise abgeändert:
Der Beklagte Ziffer 2 wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 44.012,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 10.701,66 Euro seit dem 16.11.2017 und aus weiteren 33.311,13 Euro seit dem 15.6.2018 zu zahlen. Der Beklagte Ziffer 2 wird weiter verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.317,57 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 16.11.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten beider Instanzen hat der Beklagte Ziffer 2 zu 1/5 und haben die Kläger zu 4/5 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 1 in beiden Instanzen haben die Kläger zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziffer 2 in beiden Instanzen haben die Kläger zu 3/5 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen hat der Beklagte Ziffer 2 zu 1/5 zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und der Beklagte Ziffer 2 dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des gegen sie auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 107.768,78 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb und der späteren Veräußerung eines Grundstücks in Anspruch.
Die Beklagte Ziffer 1 und der Beklagte Ziffer 2, der ihr Sohn ist, bewohnen seit vielen Jahren das im Eigentum der Beklagten Ziffer 1 stehende Hausgrundstück ... in ....
Mit Vertrag vom 5.7.2013 verkaufte die Beklagte Ziffer 1 das damals noch unbebaute angrenzende Grundstück ... an die Kläger zum Preis von 120.000 Euro. Die Beklagte wusste, dass die Kläger beabsichtigten, auf diesem Grundstück ein Einfamilienhaus zu errichten und anschließend gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Töchtern dort einzuziehen. Über etwaige Besonderheiten aufgrund der Nachbarschaft des Beklagten Ziffer 2 klärte die Beklagte Ziffer 1 die Kläger nicht auf. Insbesondere teilte sie den Klägern nicht mit, dass gegen den Beklagten Ziffer 2 in den Jahren 2007 bis 2013 verschiedene Strafverfahren geführt worden waren und er im Jahr 2008 von einer damaligen Nachbarin zivilrechtlich auf Unterlassung nachstellenden Verhaltens in Anspruch genommen worden war.
Den gegen den Beklagten Ziffer 2 geführten Strafverfahren lagen folgende Sachverhalte zugrunde:
- Am 6.4.2007 randalierte er in einer Gaststätte, wobei er ein Messer in der Hand hielt und die Anwesenden mit den Worten "Ich stech' euch ab" bedrohte. Außerdem beleidigte er nach seiner vorläufigen Festnahme Polizeibeamte und trat mehrfach nach ihnen, wobei er einen Polizeibeamten im Bauchbereich traf. Die nach der Tat genommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 3,03 Promille sowie die Einnahme von Beruhigungsmitteln. Mit Urteil des Amtsgerichts M. vom 22.10.2008 - 30 Ds 205 Js 24612/07 - wurde der Beklagte Ziffer 2 deshalb wegen Vollrauschs zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.
- Am 27.3.2013 widersetzte sich der Beklagte Ziffer 2 im Anwesen ... in ... der Ingewahrsamnahme durch die Polizei, indem er nach Polizeibeamten trat und diese beleidigte. Die nach der Tat genommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 3,07 Promille. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 2.8.2013 - 25 Cs 201 Js 13404/13 - wurde der Beklagte Ziffer 2 wegen Vollrauschs zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Soweit die Staatsanwaltschaft M. gegen den Beklagten Ziffer 2 außerdem unter dem Aktenzeichen 203 Js 9753/13 ein Ermittlungsverfahren wegen einer Bedrohung der Beklagten Ziffer 1 mit den Worten "Ich s...