Leitsatz (amtlich)
1.
Das nur kurzfristige Versperren des Durchgangs eines Weges stellt keine Gewaltanwendung i. S. d. § 240 StGB dar (Anschluss an OLG Düsseldorf VRS 97, 127).
2.
Bei einer auf offener Strasse vorgenommener sexuellen Belästigung kann es sich um ein Vergehen der Beleidigung handeln, wenn es sich nicht nur um eine unerhebliche Beeinträchtigungen handelt und der Tat eine nach außen zu Tage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre innewohnt.
3.
Ein Vergehen der tätlichen Beleidigung nach § 185 2. Alt. StGB setzt eine körperliche Einwirkung voraus, allein der Versuch einer Berührung genügt nicht.
4.
Bei einem sexuell motivierten Übergriff muss ein Täter grundsätzlich damit rechnen, dass sein Opfer aufgrund einer früher an ihm begangenen sexuellen Gewalttat vorgeschädigt ist und deshalb besonders schwere Folgen eintreten können. Bei der Strafzumessung ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Täter diese Folgen nicht allein verursacht hat.
5.
Auf eine erfolglos durchgeführte Therapie kann eine positive Prognose i. S. d. § 56 Abs. 2 StGB in der Regel nicht gestützt werden.
Tenor
1.
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts W. vom 11. September 2001
a.
im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte eines Vergehens der Beleidigung schuldig ist,
b.
im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen und insoweit aufgehoben, als der Angeklagte verurteilt wurde, an die Geschädigte F ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 1. 000, 00 sowie einen Betrag von DM 34, 09 zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtskraft des Urteils zu bezahlen.
2.
Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts W. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Nach den getroffenen Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 28. 08. 1999 gegen 5. 40 Uhr in der Umgebung des Bahnhofs von S auf, um dort nach einem geeigneten Opfer für einen sexuell betonten körperlichen Kontakt Ausschau zu halten. Die auf dem Weg zum Bahnhof auf einem Bürgersteig gehende 24jährige und dem Angeklagten völlig unbekannte Geschädigte F sah er für sein Vorhaben als geeignet an. Er ging dieser entgegen, stellte sich ihr durch einen unvermittelten Schritt zur Seite in den Weg und führte für die Zeugin überraschend - ohne diese zu berühren - beide Hände über deren Schultern, als wolle er sie umarmen. Während die Zeugin zurückwich, nahm der Angeklagte seinen rechten Arm nach unten und versuchte, der Geschädigten unter gleichzeitiger Äußerung "macht doch nichts" mit seiner Hand an das Geschlechtsteil zu greifen, was ihm jedoch wegen der Rückwärtsbewegung der Zeugin nicht gelang. Im Anschluss hieran ging der Angeklagte, als wäre nichts gewesen, weiter.
Durch die Tat sind bei der Geschädigten F von einer früheren Vergewaltigung herrührende psychische Störungen wieder ausgelöst worden. Seit dem neuerlichen Vorfall leidet die Zeugin zudem an Schlaflosigkeit, Zittern und Angstzuständen; seit August 2000 befindet sie sich in ständiger ambulanter psychotherapeutischer Behandlung.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - S hat den Angeklagten am 28. 11. 2000 wegen tätlicher Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zu Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Straferkenntnis sowohl vom Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen hat das Landgericht W. mit Urteil vom 11. 09. 2001 verworfen.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie wertet die Tat als Verbrechen der versuchten sexuellen Nötigung; außerdem beanstandet sie die erfolgte Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Der Angeklagte, welcher die Tatbegehung in Abrede gestellt hat, erstrebt seine Freisprechung. Nach seiner Ansicht unterfällt der festgestellte Sachverhalt im übrigen nicht den Beleidigungstatbeständen, da die Ehre der Geschädigten durch den Übergriff nicht verletzt worden sei.
II.
Beide Rechtsmittel haben den aus dem Tenor sich ergebenden Teilerfolg. Sie führen zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung. Im übrigen bleiben sie ohne Erfolg.
1.
Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht die Bewertung der Tat als versuchte sexuelle Nötigung. Ein solches Verbrechen setzt nämlich voraus, dass Gewalt eingesetzt wird, um gerade hierdurch einen entgegenstehenden Willen des Opfers zu überwinden und so das angestrebte sexuelle Ziel zu erreichen. Ein Handeln allein gegen den Willen des Opfers oder dessen bloßes Nichteinverstandensein genügt für die Erfüllung des Tatbestandes nicht, da dieser die erkennbare Beugung der Willensfreiheit unter Strafe stellt. An einer solchen finalen Verknüpfung fehlt es aber, wenn das Opfer die Zie...