Entscheidungsstichwort (Thema)
Fernsehbericht über Folgen einer Ehescheidung bei Identifizierbarkeit der Beteiligten
Leitsatz (amtlich)
1. Der in einem die Identifizierbarkeit der Beteiligten ermöglichenden Pressebericht über die Folgen einer Ehescheidung liegende Eingriff in die Privatsphäre kann auch bei fehlender Einwilligung gerechtfertigt sein, wenn ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht.
2. Die ohne Einwilligung erfolgende Verbreitung von Portraitaufnahmen ist rechtswidrig, wenn der Abgebildete trotz Augenbalken noch erkennbar ist.
3. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Geldentschädigung bei durch eine Presseveröffentlichung erfolgter Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6; KunstUrhG § 22 Abs. 1, § 23; BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 10.03.2000; Aktenzeichen 3 O 418/99) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Konstanz vom 10.3.2000 - 3 O 418/99 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Konstanz vom 10.3.2000 - 3 O 418/99 - abgeändert:
a) Der Beklagten wird verboten, mit Augenbalken versehene Bildnisse von den Klägern Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 zu senden.
b) Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000 DM angedroht.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird als unbegründet zurückgewiesen.
4. Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Klägerin Nr. 1: 25 %, die Kläger Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4: jeweils 23,2 %; die Beklagte: 5,4 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft eines in Deutschland als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
I. Die Kläger sind mit mehr als 60.000 DM beschwert.
II. Die Beklagte ist nicht mit mehr als 60.000 DM beschwert.
Tatbestand
Aus der durch Urteil des AG - FamG - K. vom 9.2.1990, rechtskräftig seit 6.4.1991, geschiedenen Ehe zwischen Dr. med. G. W. und der Klägerin Nr. 1 sind die am 22.4.1985 bzw. am 31.5.1986 bzw. am 7.3.1988 geborenen Kläger Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 hervorgegangen. Zwischen Dr. G. W. und der Klägerin Nr. 1 waren bzw. sind eine Vielzahl familienrechtlicher und extrem streitiger Auseinandersetzungen bei den AG K. und T., bei den OLG Karlsruhe und Stuttgart, sowie beim BGH anhängig.
Am 6.7.1999 gegen 22.30 Uhr strahlte die Beklagte in ihrer Fernsehsendung "Akte 99/27" unter dem Titel "Abserviert und Ausgenommen" einen Beitrag zum Thema "Scheidungsopfer Mann" aus, in der der durch die Sendung führende Moderator eingangs das Phänomen durch die Scheidung finanziell ruinierter Ehemänner ansprach, die "wie eine Weihnachtsgans ausgenommen werden", "ackern wie die Blöden und denen am Ende doch nichts verbleibt". Nach Einblendung der in apodiktischem Ton gehaltenen Äußerung der Bundestagsabgeordneten R. - vorgestellt als die rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, wonach es den geschiedenen reichen Mann, der einen Großteil seines Vermögens an seine geschiedene Frau abgeben muss, nicht gebe, hat der Moderator ausgeführt, man habe nicht lange suchen müssen, um solche Fälle doch zu finden. Sodann wurde unter Einblendung des vollen Namens der "Fall" des Dr. G. W. dargestellt. Dieser kam - zusammen mit seiner neuen Ehefrau - selbst zu Wort und beklagte sich über die für ihn schwerwiegenden und von ihm als ungerecht empfundenen Folgen der Scheidung. So erklärte er u.a., dass er an die Klägerin Nr. 1 monatlich 5.600 DM an Unterhalt zahlen müsse und diese dazu noch das Kindergeld erhalte. Ihm seien nach der Scheidung 650.000 DM an Schulden verblieben. Aus den zahlreichen familiengerichtlichen Verfahren seien ihm nahezu 200.000 DM an Verfahrenskosten entstanden. Weiter beklagte er sich da-rüber, dass seine Kinder, die er kaum sehen dürfe, von der Klägerin Nr. 1 gegen ihn eingestellt würden. In der Sendung wurden die Namen der Kläger nicht genannt, jedoch wurde mitgeteilt, dass sie in guten wirtschaftlichen Verhältnissen im eigenen Haus am Bodensee leben. Eingeblendet wurden ältere und mit Augenbalken versehene Portraitaufnahmen der Kläger Nr. 2 bis Nr. 4.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die ausgestrahlte Sendung sei in weiten Teilen inhaltlich falsch. So sei Herr Dr. W. durch die Klägerin Nr. 1 nicht ruiniert und wie eine Weihnachtsgans ausgenommen worden, vielmehr bezahle er Unterhalt gemäß Unterhaltstiteln des OLG Stuttgart. Unrichtig sei, dass er an die Klägerin monatlich 5.600 DM an Unterhalt zzgl. Kinderg...