Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers, die dem Verwender die Befugnis einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen seine Preise "nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anzupassen", verstößt nicht deshalb gegen § 307 BGB, weil kein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit gerichtlicher Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB erfolgt.

2. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers verstößt nicht deshalb gegen § 307 BGB, weil sie eine Preisanpassungsmöglichkeit außer bei der Änderung ausdrücklich genannter preisbestimmender Faktoren auch für die Fälle vorsieht, dass "sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen".

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 28.05.2014)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Konstanz vom 28.5.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die (wettbewerbsrechtliche) Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln in Versorgungsverträgen zur Belieferung mit Strom und Gas. Für die Einzelheiten der landgerichtlichen Feststellungen, insbesondere für den Inhalt der Klauseln, wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Anpassungsklauseln weder irreführende geschäftliche Handlungen darstellten noch als unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig seien. Ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregel des § 307 BGB liege nicht vor. Aufgrund der Preisanpassungsklauseln werde ein Kunde nicht unangemessen benachteiligt, da Anpassungsmaßstab und -anlass offen lägen, eine Anpassung durch das Gebot der Billigkeit begrenzt sowie nach oben und unten vorgesehen sei und die Vorschrift dem Transparenzgebot genüge. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die eröffnete Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB gebiete § 307 BGB nicht.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter und hält die landgerichtliche Entscheidung für rechtsfehlerhaft. Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und eine Entscheidung des OLG München vom 10.4.2014 (29 W 433/14).

Die Beklagte meint, die Berufung sei bereits unzulässig, da eine bloße Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht genüge.

Rechtsfehlerfrei sei das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klauseln angemessen seien und dem Transparenzgebot genügten, da sie eine Anpassung in beide Richtungen vorsähen und Art und Umfang der Anpassung mitgeteilt werde. Die Anpassung richte sich nach den Kosten der Energiebeschaffung und der Netznutzung. Weitere Kostenbestandteile würden in den - nicht streitgegenständlichen - Wälzungsklauseln (1.2 bis 1.7) geregelt. Da die Anpassungen der Billigkeitskontrolle unterlägen, sei die eingeräumte Möglichkeit zur Preisänderung nicht unangemessen, eines Hinweises auf die gerichtliche Billigkeitskontrolle bedürfe es nicht.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die - unter Hinweis auf abweichende obergerichtliche Rechtsprechung erhobene - Rüge der Rechtsfehlerhaftigkeit der landgerichtlichen Urteilsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an die Zulässigkeit der Berufung.

2. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 307 BGB besteht nicht, da die beanstandeten Klauseln die Vertragspartner der Beklagten nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere nicht intransparent sind. Ein Verstoß gegen das (tatbestandlich enger gefasste) wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot liegt folglich ebenfalls nicht vor.

Einseitige Preisanpassungsklauseln sind (sofern sie nicht § 309 Nr. 1 BGB unterfallen) zulässig, wenn sie den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere nicht intransparent sind (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und dem aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB folgenden Gerechtigkeitsgebot genügen (BGHZ 198, 111, juris Rz. 44).

Das Gerechtigkeitsgebot erfordert im Fall von Preisanpassungsklauseln insbesondere die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle (BGH a.a.O.), die die streitgegenständlichen Klauseln eröffnen. Die Bestimmung eines neuen Vertragspreises erfolgt vorliegend ausdrücklich (vgl. Ziff. 2.4. der Bedingungen für Strom- und Ziff. 6.6. für Gaslieferungen) nach billigem Ermessen, so dass der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB und die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle ohne Zweifel offen stehen.

Die konkrete Klausel ist schließlich hinreichend transparent, weil nicht geeignet, einen mit einer Preisanpassung nicht einverstandenen Verbraucher von einer (gerichtlichen) Billigkeitskontrolle abzuhalten, indem die Rechtslage durch eine irreführende Darstellung in einer Art verschleiert wird, die es dem Verwender ermöglicht, berechtigte Ansprüche auf eine gerichtlichen Kontrolle abzuwehren (vgl. BGH a.a.O., Rz....

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