Leitsatz (amtlich)
Ein gemeinschaftsrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen eines gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden Urteils setzt eine letztinstanzliche Entscheidung voraus. Dies gilt auch dann, wenn angesichts einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung ein Rechtsmittel von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 10.11.2005 - 2 O 361/05 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Amtshaftungsansprüche aufgrund eines strafgerichtlichen Urteils geltend; er beruft sich im Wesentlichen auf die Grundsätze der gemeinschaftsrechtlichen Amtshaftung.
Das AG R. - Strafrichter - verurteilte den Kläger mit Datum vom 1.10.2002 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 EUR (8 CS 203 Js 6641/02); das Urteil, gegen das der Kläger kein Rechtsmittel einlegte, ist seit dem 9.10.2002 rechtskräftig.
Das AG R stellte u.a. folgendes fest: Dem Kläger wurde durch bestandskräftige Verfügung des Landratsamts R. vom 9.4.1998 die Fahrerlaubnis entzogen; ein medizinisch-psychologisches Gutachten vom 6.8.1999 kam zu dem Ergebnis, dass eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis derzeit nicht empfohlen werden könne. In der Folgezeit besuchte der Kläger - unter Beibehaltung seines Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland - eine Fahrschule in Holland, wo ihm am 27.2.2002 eine neue Fahrerlaubnis erteilt und ein holländischer Führerschein ausgestellt wurde. Das AG war der Auffassung, dass diese Fahrerlaubnis den Kläger nicht zum Führen eines Kraftfahrzeuges in der Bundesrepublik Deutschland berechtige und er sich deshalb durch die zweimalige Benutzung eines Pkw gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG strafbar gemacht habe. Die Entscheidung folgte einer ständigen Rechtsprechung, wonach § 21 StVG insoweit verwaltungsakzessorisch war, als § 28 Abs. 4 Nr. 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18.8.1999, BGBl. I-2214, (im Folgenden FeV) einer ausländischen Fahrerlaubnis die Anerkennung immer dann versagte, wenn dem Betroffen zuvor eine nationale Fahrerlaubnis bestandskräftig entzogen worden war.
Mit Datum vom 4.5.2004 beantragte der Kläger die Wiederaufnahme des mit Urteil des AG R. vom 1.10.2002 abgeschlossenen Verfahrens. Anlass hierfür war das Urteil des EuGH vom 29.4.2004 in der Rechtssache C-476/01, Kapper, Slg. I-5205 (im Folgenden Rechtssache Kapper); der EuGH entschied für einen dem klägerischen Verfahren entsprechenden Sachverhalt, dass eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 und Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein i.d.F. der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 2.6.1997 (künftig Richtlinie 91/439) verstoße. Die nationalen Behörden dürften in Fällen dieser Art einer ausländischen Fahrerlaubnis die Ankerkennung ihrer Gültigkeit nicht auf unbestimmte Zeit versagen, wie dies § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV vorsehe; soweit es um die Prüfung der Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gehe, obliege diese allein dem Mitgliedstaat, der die neue Fahrerlaubnis ausstelle.
Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde durch das AG O. mit Beschl. v. 12.10.2004 als unzulässig verworfen; die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg (LG O., Beschl. v. 11.11.2004 - 3 Qs 145/04).
Der Kläger macht nunmehr Amtshaftungsansprüche wegen der zwischenzeitlich bezahlten Geldstrafe sowie der Kosten des Strafverfahrens geltend.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen, das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 3.849,76 EUR nebst 392,66 EUR an vorgerichtlichen Anwaltsgebühren sowie Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs lägen nicht vor. Weder habe der Kläger vorgetragen, dass sich der erkennende Strafrichter bei Erlass des Urteils einer Straftat schuldig gemacht habe (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB), noch falle einer mit der Vollstreckung des Urteils befassten Person eine Amtspflichtverletzung zur Last; Ansprüche in analoger Anwendung von Art. 5 EMRK kämen gleichfalls nicht in Betracht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Das LG habe verkannt, dass im vorliegenden Fall ein Amtshaftungsanspruch unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht folge; das AG R. habe bei seiner Entscheidung offenkundig gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 9¼39 verstoßen, weil es der niederländischen Fahrerlaubnis des Klägers die Anerkennung versagt und ihn deshalb wegen zweier Vergehen nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG verurteilt habe. Dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, dass er auf d...