Leitsatz (amtlich)

1. Die Verpflichtung des Kreditgebers zur Gesamtbetragsangabe gem. § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1b S. 2 VerbrKrG a.F. besteht bei sog. unechten Abschnittsfinanzierungen auch dann, wenn die als Ansparvertrag dienende Lebensversicherung nicht zwingend zur Tilgung des Darlehens bei Endfälligkeit zum Einsatz kommen muss, schon länger vor Abschluss des Kreditvertrags abgeschlossen war und der kreditgebenden Bank nur zur Sicherheit auf den Todesfall abgetreten worden ist.

2. Bei einem dem VerbrKrG a.F. unterfallenden, in einer Haustürsituation abgeschlossenen Personalkreditvertrag ist eine Anwendung der Widerrufsregelung des HWiG nach der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 2 HWiG nicht ausgeschlossen, soweit § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG a.F. eine längere Widerruffrist als § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 VerbrKrG a.F. gewährt und/oder das Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG bereits erloschen ist. Denn dann steht dem Verbraucher kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG i.S.d. Entscheidung des BGH vom 9.4.2002 (BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, BGHReport 2002, 595 = ZIP 2002,1075) zur Verfügung.

3. Der Ausübung des Widerrufsrechts nach § 2 Abs. 1 HWiG a.F. kann der Einwand der Verwirkung entgegen stehen, wenn der Verbraucher es erst mehr als vier Jahre nach Kenntnis von der Widerrufsmöglichkeit ausübt.

4. Der notariell beurkundete Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kann nicht wegen Fortwirkung des Überrumpelungseffekts nach dem HWiG widerrufen werden, da § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG a.F. (jetzt § 312 Abs. 3 Nr. 3 BGB) ausnahmslos gilt (gegen OLG Stuttgart v. 30.3.1999 – 6 U 141/98, OLGReport Stuttgart 1999,231 und OLG Karlsruhe v. 16.5.2002 – 11 U 10/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 272).

Angewandte Vorschriften: §§ 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1b; 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 S. 2; 9 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 VerbrKrG a.F.; 1 Abs. 2 Nr. 3; 2 Abs. 1 S. 4; 5 Abs. 1 HWiG a.F.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 14.03.2003; Aktenzeichen 4 O 403/02)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 14.3.2003 – 4 O 403/02 – werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision der Beklagten wird zugelassen, die Revision der Klägerin nicht.

 

Gründe

A.I. Die Klägerin macht im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage die Unwirksamkeit eines am 27.9./4.11.1996 mit der Beklagten zur Finanzierung zweier Anteile an einem geschlossenen Immobilien-Fonds vereinbarten Personalkredits (K 1, B 11) geltend.

Der am 17.7.1996 von der WGS und deren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer N. gegründete GVV, in dem Prospekt der Initiatoren (B 1, 2) als Fonds Nr. 40 deklariert, hatte den Erwerb der renovierten Alt-Immobilie sowie deren wirtschaftliche Nutzung (Vermietung) und Verwaltung zum Ziel. Die Beteiligung hieran war als steuersparendes Anlagemodell konzipiert. Die Klägerin zeichnete auf Vermittlung des selbständigen Anlageberaters W. am 17.9.1996 einen Eintrittsantrag (B 3) und erklärte durch notarielle Urkunde vom 27.9.1996 (B 9) ihren Eintritt in die GVV unter Übernahme zweier Anteile. Der geschäftsführende Fondsgesellschafter N. war dabei durch den Vermittler W. vertreten.

Für das bei der Beklagten aufgenommene, weisungsgemäß an die Treuhänderin (F. Wirtschaftstreuhand GmbH) ausgezahlte (K 13) Darlehen war eine Zinsfestschreibung bis zum 1.10.2006 und eine Tilgung bis zum 1.10.2016 vorgesehen. Die Tilgung sollte durch eine seit 1982 schon bestehende Lebensversicherung der Klägerin bei der A. AG (B 6) erfolgen, sofern die Ablauftermine sich decken und soweit die Lebensversicherungssumme ausreichen würden. Die Ansprüche der Klägerin aus der Kapital-Lebensversicherung wurden der Beklagten nur für den Todesfall abgetreten.

In den ergänzenden Bestimmungen und Hinweisen zum Darlehensvertrag erläuterte die Beklagte ihre Funktion bei dem Anlagemodell dahin, dass sie sich nur auf die Rolle der Kreditgeberin beschränke, darüber hinaus am Modell nicht beteiligt sei und auch keine Überwachungs-, Beratungs- und Betreuungsfunktionen ggü. der Darlehensnehmerin wahrnehme.

Sie wies ferner darauf hin, dass die zum Vertrieb des Modells tätigen Vermittler keine Erklärungen für sie als Bank abzugeben berechtigt seien.

Die Klägerin war auf die Möglichkeit zum Widerruf ihrer Vertragserklärung binnen einer Woche mit der Urkunde vom 26.9.1996 (K 3) bzw. 27.9.1996 (B 12, Anlageheft LG, Beklagte) hingewiesen worden. Wann ihr eine Durchschrift der Belehrung vorgelegt wurde, ist streitig.

Die WGS, zugleich Mietgarantin, ging im Oktober 1997 in Konkurs.

In der Folgezeit konnte die Klägerin die Darlehenszinsen mit den Mietzahlungen nicht voll abdecken.

Die Klägerin ließ durch Anwaltsschreiben vom 19.2.2001 (K 5) den Darlehensvertrag wegen arglistiger Täu...

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