Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Bewertung eines Gesellschaftsanteils nach dem sog. Stuttgarter Verfahren sind bei der Prognose der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft (§ 11 Abs. 2 S. 2 BewG) auch solche für den voraussichtlichen künftigen Jahresertrag der Gesellschaft erheblichen Steuertatbestände zu berücksichtigen, die zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zwar bereits das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, aber noch nicht in Kraft getreten sind (hier: Fiktiver Abzug von 25 % Körperschaftssteuer trotz eines vor dem 1.1.2001 liegenden Bewertungsstichtages).

2. Ein ausgeschiedener Gesellschafter unterliegt einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot auch nach den Grundsätzen der sog. Geschäftschancenlehre nur dann, wenn er Organ der Gesellschaft war oder in einer vergleichbaren Stellung die Geschäftsführung der Gesellschaft beherrscht oder maßgeblich beeinflusst hat (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 8.5.1989 - II ZR 229/88, GmbHR 1989, 460 = MDR 1989, 974 = NJW 1989, 2687).

3. Ein Minderheitsgesellschafter, der zugleich Angestellter der Gesellschaft ist, kann nicht über eine Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten in Bezug auf die Verwertung der als Angestellter erworbenen Kenntnisse einem Wettbewerbsverbot unterworfen werden, das nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts unwirksam wäre und auch im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart ist.

 

Normenkette

BewG § 11 Abs. 2; HGB § 74 Abs. 2; pVV

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 17.12.2004; Aktenzeichen 14 O 5/01 KfH-III)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des LG Karlsruhe - 14 O 5/01 KfH III - vom 17.12.2004 werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 15 % und die Beklagte 85 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegenpartei gegen Sicherheitsleistung durch Bürgschaft i.S.d. § 108 Abs. 1 ZPO i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung in gleicher Art Sicherheit i.H.v. 120 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Berufungsstreitwert wird auf 101.706,53 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung eins Abfindungsentgelts in Anspruch.

Der Geschäftsanteil des Klägers, der Minderheitsgesellschafter der Beklagten war, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 24.11.1994 (Anlage K 1; im Folgenden: GV) auf nominell 9.500 DM festgesetzt. Das Stammkapital der Beklagten beläuft sich auf 50.000 DM.

Bereits seit 1988 war der Kläger Angestellter der Beklagten. Dieses Anstellungsverhältnis kündigte er mit Schreiben vom 25.5.2000 zum 30.6.2000 und schied zum Monatsende Juni 2000 bei der Beklagten aus.

Der Kläger bearbeitete bei der Beklagten den Bereich des sog. Desktop-Publishing (DTP), zuletzt zusammen mit einer freien Mitarbeiterin und einer Auszubildenden.

Durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 28.9.2000 (Anlage K 5) wurde der Geschäftsanteil des Klägers eingezogen. Der maßgebliche notarielle Gesellschaftsvertrag vom 24.11.1994 (Anlage K 1) enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 8 Einziehung

1. Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit beschließen. ...

3. Die Einziehung geschieht unbeschadet der Regelung der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG gegen Entgelt.

§ 9 Abfindungsentgelt

1. Das Abfindungsentgelt bemisst sich nach dem gemeinen Wert des Anteils, der nach den Grundsätzen des sog. Stuttgarter Verfahrens oder eines anderen von der höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung anerkannten Verfahrens gleicher Zielrichtung zu ermitteln ist.

2. Maßgeblich für die Ermittlung des gemeinen Werts ist die Bilanz, die von der Gesellschaft auf den Bilanzstichtag zu errichten ist, der weniger als 6 volle Monate vor oder nach dem Einziehungszeitpunkt liegt.

3. Das Entgelt ist in 10 gleichen Jahresraten jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres zu entrichten. Die Gesellschafter können eine kürzere Tilgungszeit beschließen.

4. Noch nicht getilgte Teile des Entgelts verzinsen sich zu Fünf vom Hundert jährlich. Die Gesellschafter können einen anderen Hundertsatz beschließen. Die Zinsen sind jeweils am Ende eines Geschäftsjahres zu entrichten.

5. Eine Sicherstellung kann nicht verlangt werden.

§ 10 Ausschließung

1. Ein Gesellschafter kann ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt, der seine Mitgliedschaft für die übrigen Gesellschafter unzumutbar macht. ...

3. Der Ausgeschlossene hat Anspruch auf Erstattung des Werts seines Geschäftsanteiles; § 9 findet entsprechende Anwendung.

§ 19 Wettbewerbsverbot

Den Gesellschaftern und den Geschäftsführern der Gesellschaft kann Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilt werden. Über Art und Umfang der Befreiung beschließen die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit.

§ 25 Salvatorische Klausel

Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrage...

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