Leitsatz (amtlich)
Eine Anwendung der Vorschriften der §§ 2191 Abs. 2, 2102 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel der eingesetzte Vermächtnisnehmer als Ersatzvermächtnisnehmer gilt, kommt nur dann in Betracht, wenn nach Ausschöpfung aller Testamentsauslegungsmöglichkeiten doch ernsthafte Zweifel bestehen, ob jemand als Ersatz- oder als Nachvermächtnisnehmer eingesetzt ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 2087 Abs. 2, §§ 2102, 2106, 2150, 2190-2191
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 7 O 159/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Heidelberg vom 19.12.2002 – 7 O 159/02 – in Kostenpunkt aufgehoben, i.Ü. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Auslegung des Testaments der am 2.3.2000 in Heidelberg verstorbenen Frau S.
Das Notariat 4 – Nachlassgericht – Heidelberg erteilte am 1.8.2000 einen gemeinschaftlichen Erbschein (6 GR N 116/200), wonach vier Personen, darunter der Kläger und die Mutter der Beklagten Erben zu je 1/4 Erbteil geworden sind.
Die Erblasserin hatte am 11.8.1997 ein handschriftliches Testament erstellt, in welchem sie u.a. verschiedene Vermächtnisse bezüglich einer Vielzahl von Grundstücken anordnete. Über folgende Formulierung besteht zwischen den Parteien Streit:
„Mein Haus in der L.-gasse L. sowie Garten … soll mein Stiefsohn W. geb. am … nach meinem Tod erhalten als Alleineigentum, als Nacherben sollen die Kinder meiner Nichte M.P. geb …, sowie U. geb …. und J. geb …”
Die Parteien gehen zwar übereinstimmend davon aus, dass eine Nacherbschaft nicht angeordnet wurde, sind sich jedoch uneins, ob die Erblasserin ein Nachvermächtnis oder ein Ersatzvermächtnis angeordnet hat.
Die in dieser Bestimmung des Testaments genannten Grundstücke waren Gegenstand eines Umlegungsverfahrens, das vor dem Tod der Erblasserin eingeleitet worden war und nach ihrem Tod beendet wurde. Die genannten Grundstücke wurden ersetzt durch die im Grundbuch von N. Nr …. eingetragenen Grundstücke:…
Im Umlegungsverfahren entstand ein Ausgleichsanspruch i.H.v. 245.568 DM; nach Zahlung der Erschließungskosten für die Grundstücke Flst …. verblieb ein Umlegungsguthaben i.H.v. 146.288 DM.
Zur Ausführung des Testaments wurde am 26.10.2001 ein notarieller Vermächtniserfüllungsvertrag geschlossen. Darin wurden die aus dem Umlegungsverfahren hervorgegangenen Grundstücke lfd. Nrn. … dem Kläger zu Alleineigentum übertragen und ihm das Recht eingeräumt, die Auszahlung des Umlegungsguthabens an sich selbst zu verlangen. Zur Sicherung möglicher Ansprüche der Beklagten Ziff. 1 bis 3 wurde die Eintragung einer Vormerkung zu ihren Gunsten bewilligt und beantragt. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger, das Umlegungsguthaben in entspr. Anwendung der §§ 1805–1809 BGB mündelsicher zu Gunsten der Beklagten Ziff. 1 bis 3 anzulegen. Es wurde vereinbart, dass der Kläger in der Verfügung über diesen Geldbetrag erst frei wird und die Vormerkung erst gelöscht werden darf, wenn feststeht, dass eine Nacherbschaft bzw. ein Nachvermächtnis nicht angeordnet ist. Der Nachweis hierüber kann nach dem Vermächtniserfüllungsvertrag entweder durch schriftliche Erklärungen der Beklagten Ziff. 1 bis 3 oder durch rechtskräftiges Urteil, eine andere rechtskräftige Entscheidung bzw. einen gerichtlichen Vergleich geführt werden.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen, dass die über keine juristischen Kenntnisse verfügende Erblasserin entgegen dem Wortlaut „Nacherbe” weder eine Nacherbschaft noch ein Nachvermächtnis im juristischen Sinn habe anordnen wollen, sondern lediglich ein Ersatzvermächtnis. Denn der Kläger als Stiefsohn der Erblasserin habe die Möglichkeit erhalten sollen, nach ihrem Tod als unbelasteter Rechtsnachfolger beliebig mit dem Grundstück zu verfahren. Der Kläger habe zu der Verstorbenen ein sehr enges Verhältnis gehabt; er habe sich um alle anfallenden Arbeiten im Anwesen L.-gasse … in N. gekümmert und alle anfallenden Reparaturen im Haus und anderen von der Verstorbenen vermieteten Wohnungen durchgeführt sowie den Garten gepflegt. Es sei daher davon auszugehen, dass die von der Verstorbenen als „Nacherben” bezeichneten Kinder ihrer Nichte erst dann zum Zuge kommen sollten, wenn ihr Stiefsohn als Erbe nicht mehr zur Verfügung stehe. Von der Verstorbenen sei daher lediglich ein Ersatzvermächtnis zugunsten der Beklagten Ziff. 1 bis 3 angeordnet worden.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass im Testament der am 2.3.2000 verstorbenen Frau S., geb …. vom 11.8.1997 zugunsten der Beklagten Ziff. 1 bis 3 hinsichtlich der früher im Grundbuch ...