Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Werbung einer Versorgung mit 100 % Ökostrom
Leitsatz (amtlich)
Die Werbung eines Energieversorgungsunternehmens für einen sog. Ökostrom-Tarif mit der Aussage, der Kunde beziehe zu 100 % umweltfreundlichen Strom und erhalte eine sichere Versorgung mit Ökostrom kann nicht deshalb als irreführend angesehen werden, weil der Kunde auch nach dem Wechsel den Strom dem Netz entnimmt, in das Strom unterschiedlicher Herkunft eingespeist wird.
Normenkette
UWG §§ 3, 5
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 10.09.2008; Aktenzeichen 4 O 63/08 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 10.9.2008 - 4 O 63/08 KfH - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von elektrischer Energie an private Haushalte.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) versandte im Mai 2008 einen Werbebrief, der auch an Haushalte in B. adressiert war.
In dem Schreiben heißt es u.a.
"Sehr geehrter Herr [Name des Adressaten des Werbeschreibens] am 1.7.2008 ist es soweit: X erhöht den Preis für den Grundversorgungstarif "Komfort"! Zeit für einen Wechsel, denn es geht auch anders - mit Y. Ökostrom.
Wir ersparen allen X Komfort Kunden die Preiserhöhung, wenn Sie bis zum 30.6.2008 zu Y Ökostrom wechseln. Denn dann garantieren wir Ihnen den bis dahin gültigen alten Preis des X Komfort Tarifs für ein weiteres Jahr ab Vertragsschluss. Sie ersparen sich nicht nur die Preiserhöhung, sondern wir belohnen Ihren Wechsel mit einem attraktiven Dankeschön und bieten Ihnen eine sichere Versorgung mit 100 % Ökostrom. (...)"
In dem Schreiben findet sich eine Gegenüberstellung der Kosten eines Haushalts, der im Jahr 4.000 kWh verbraucht, einerseits nach dem X Grundversorgungstarif "Komfort" in der ab dem 1.7.2008 gültigen Fassung, andererseits nach dem Tarif von Y Ökostrom. Einschließlich des einmaligen "Wechselgeldes", das die Beklagte anbietet, ergibt sich danach eine Ersparnis von 62 EUR im ersten Jahr der Vertragslaufzeit. Dabei ist der Verbrauchspreis pro kWh nach dem X-Tarif mit 20,53 Cent angegeben, derjenige der Beklagten mit 19,42 Cent. Nach dem Tarif der Stadtwerke B. beträgt der Verbrauchspreis pro kWh 19,3 Cent.
Wegen des Inhalts des Werbeschreibens im Einzelnen wird auf Anlage AS 1 Bezug genommen. Der X Grundversorgungstarif "Komfort" steht Kunden in B. nicht zur Verfügung, weil X dort nicht Grundversorger ist. Im Gebiet der Stadt B. sind die Stadtwerke B. Grundversorger i.S.v. § 36 Abs. 2 EnWG.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hat die Beklagte mit Schreiben vom 10.7.2008 (Anlage AS 2) erfolglos abgemahnt. Sie hat im ersten Rechtszug geltend gemacht, die Werbung der Beklagten verstoße in dreierlei Hinsicht gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen:
Die Werbung sei insofern irreführend, als mit der Möglichkeit einer Ersparnis geworben werde, die es tatsächlich nicht gebe. Unstreitig sind die in B. ansässigen Empfänger der Werbeschreiben überwiegend Kunden der Stadtwerke B. und zahlen einen Verbrauchspreis pro kWh, der unter dem Preis nach dem X Tarif "Komfort" liege. Die Klägerin ist der Auffassung, durch den in dem Werbeschreiben aufgestellten Vergleich zwischen dem Tarif der Beklagten und dem Tarif "Komfort" der X werde bei diesen Verbrauchern die unzutreffende Vorstellung erweckt, auch sie könnten bei einem Wechsel zur Beklagten eine entsprechende Ersparnis erzielen.
Als irreführend sieht es die Klägerin weiter an, dass in dem Schreiben ein Vergleich zwischen dem Tarif der Beklagten und einem Tarif der X gezogen wird, soweit die angesprochenen Verbraucher nicht in einem Gebiet wohnen, in dem die X Grundversorger ist. Durch die hervorgehobene Aussage "Wechselgeld für Baden-Württemberg" entstehe beim Verbraucher der Eindruck, der Preisvergleich beziehe sich auf den für sein Gebiet zuständigen Grundversorger. Die Nennung der X wirke dem nicht hinreichend entgegen.
Die mehrfachen Hinweise der Beklagten, der Kunde erhalte eine "sichere Versorgung mit Ökostrom" und beziehe "zu 100 % umweltfreundlichen Strom", sei irreführend. Solche Werbeaussagen erweckten beim Verbraucher den Eindruck, dass es sich bei dem Strom, den er "aus der Steckdose" erhalte, im Falle eines Wechsels zur Beklagten tatsächlich um Strom handele, der weder Atomstrom sei noch Strom, der aus der Verbrennung fossiler Energieträger gewonnen werde. Tatsächlich verhält es sich - unstreitig - so, dass der Kunde bei einem Wechsel in den beworbenen Tarif der Beklagten wie bisher elektrische Energie aus dem Netz bezieht und damit Strom, der aus einem Mix verschiedener Energieträger gewonnen wird. Die Klägerin sieht darin eine Irreführung der angesprochenen Verbraucher.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Bek...