Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehung eines Versicherungsverhältnisses. Einfluss von nachträglichen Änderungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein bis zum 1.1.2008 entstandenes Versicherungsverhältnis nach dem 31.12.2007 geändert, kommt es für die Frage, ob es sich weiterhin um einen Altvertrag i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EGVVG handelt, darauf an, ob das bisherige Versicherungsverhältnis wesentlich umgestaltet wurde.

2. Ein Tarifwechsel in einem Krankenversicherungsverhältnis führt jedenfalls dann nicht zu einer wesentlichen Umgestaltung, wenn die inhaltlichen Änderungen nur die jährliche Selbstbeteiligung und ein Optionsrecht auf eine Krankheitskostenversicherung mit höheren Leistungen betreffen.

 

Normenkette

EGVVG Art. 1 Abs. 1; VVG a.F. § 178 f., § 179; VVG § 204 i.d.F. 2008

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen 6 O 13/09 C)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Konstanz vom 12.5.2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Fortbestand einer Krankenversicherung und einer Krankentagegeldversicherung.

Der Kläger beantragte am 5.6.2006 auf einem einheitlichen Formular der Beklagten, eine Krankenversicherung nach dem Tarif "GS 4200" nebst Pflegeversicherung nach Tarif PVN bei der Beklagten und eine Krankentagegeldversicherung bei der E. K. AG abzuschließen. Die Beklagte nahm den Versicherungsantrag - für die Krankentagegeldversicherung im Auftrag der E. K. AG - mit Schreiben vom 14.6.2006 an. Mit Schreiben vom 17.7.2008 trat die Beklagte - für die Krankentagegeldversicherung im Namen der E. K. AG - von den geschlossenen Verträgen zurück, weil der Kläger vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt habe; ausgenommen vom Rücktritt war nur die Pflegeversicherung.

Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Konstanz vom 12.5.2009 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zu ergänzen ist, dass der Kläger im Mai 2008 für die Krankenversicherung, Versicherungsnummer ..., vom bisherigen Tarif "GS" zum Tarif "Economy" wechselte. Hierzu füllte der Kläger am 5.5.2008 ein Formular der Beklagten für einen Versicherungsantrag aus. Für den Tarif "GS" belief sich der Monatsbeitrag auf 96,91 EUR zzgl. eines Zuschlags von 9,69 EUR. Der Monatsbeitrag des Tarifs "Economy" betrug einschließlich des Zuschlags 157,08 EUR. Zudem wurde dem Kläger im Mai 2008 die Option eingeräumt, nach 4 oder 12 Jahren ohne erneute Risikoprüfung in eine Krankheitskostenversicherung mit höheren Leistungen zu wechseln ("AV-P" für einen monatlichen Beitrag von weiteren 4,50 EUR). Der bisherige Tarif sah eine "absolute Selbstbeteiligung" von

4.200 EUR im Jahr vor; der neue Tarif sah keinen jährlichen Selbstbehalt vor. Die Beklagte führte die Versicherung des Klägers auch nach dem Antrag vom Mai 2008 unter der alten Versicherungsnummer. Als Versicherungsbedingungen waren nunmehr die MB/KK 2008 vereinbart.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger macht geltend, es handele sich bei der Vertragsänderung vom Mai 2008 um einen Neuabschluss i.S.d. Art. 1 EGVVG. Mithin richte sich der Rücktritt nach § 19 VVG n.F. Dessen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Kläger habe sich bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht grob fahrlässig verhalten. Bei der "Gastritis" habe es sich um eine leichte Magenverstimmung gehandelt, für die der Kläger noch nicht einmal Medikamente erhalten habe. Auch die "Zervikalneuralgie" sei eine Bagatellerkrankung gewesen, weil der Kläger nur aufgrund eines im Volksmund als "Hexenschuss" bezeichneten Vorfalls in Behandlung war. Die psychotherapeutischen Sitzungen schließlich seien nicht wegen einer Depression erfolgt. Der Kläger habe lediglich aufgrund der Trennung von seiner Freundin unter Gefühlsschwankungen gelitten; insoweit sei er nur bei drei Sitzungen in fünf Tagen psychiatrisch beraten worden. Insgesamt handele es sich bei diesen Behandlungen daher um Beschwerden, die von selbst vergehen, so dass der Kläger schon nicht verpflichtet gewesen sei, sie anzugeben.

Im Übrigen sei das Rücktrittsrecht der Beklagten gem. § 19 Abs. 4 VVG n.F. ausgeschlossen, weil sie den Vertrag nach ihrer eigenen Einlassung in erster Instanz auch in Kenntnis der verschwiegenen Umstände abgeschlossen hätte. Eine Gastritis führe nur zu einem Risikozuschlag von 30 %, ein Zervikalsyndrom zu einem Zuschlag von 40 %. Schließlich sei die gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F. erforderliche Belehrung über die Folgen einer unzureichenden Antwort auf die Gesundheitsfragen nicht zutreffend und hinreichend, so dass die Beklagte auch deshalb kein Rücktrittsrecht habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Konstanz vom 12.5.2009 wie folgt abzuändern:

I. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 544,39 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.9.2008 zu bezahlen;

II. festzust...

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