Leitsatz (amtlich)

1. Ein einzelnes Bauteil (hier: ein Verdampferkopf), das ausschließlich dazu geeignet und bestimmt ist, als Bestandteil elektronischer Zigaretten verwendet zu werden, aber (noch) nicht Nikotin oder die in § 10 Abs. 4 JuSchG bezeichnete Flüssigkeit enthält, ist kein von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG erfasstes nikotinhaltiges Erzeugnis oder nikotinfreies Erzeugnis. Ob ein Verdampferkopf als "Behältnis" unter diese Vorschrift fällt, bleibt offen.

2. Ergibt die Auslegung einer die konkrete Verletzungsform wiedergebenden strafbewehrten Unterwerfungserklärung, dass diese sich auf alle Handlungen erstreckt, die gleichfalls das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen, so setzt die Beseitigung die Wiederholungsgefahr für diesen - durch Auslegung zu bestimmenden - "Kernbereich" nicht voraus, dass der Schuldner (über die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform hinaus) erläutert, worin das Charakteristische der Verletzungsform zu erkennen ist.

 

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 2. Dezember 2021, Az. 25 O 70/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung fallen der Verfügungsklägerin zur Last.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) nimmt den Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagter) im Weg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen behaupteten unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien handeln über das Internet mit Zubehör für E-Zigaretten.

Der Beklagte ließ einen - wie aus der Anlage ASt 5 (= AS I 14) ersichtlich angebotenen und verkauften - Artikel bestehend aus mehreren Verdampferköpfen (auch Coils genannt) dem Käufer per normaler Warenpost ohne Alterssichtprüfung zustellen.

Die Klägerin stellte dies am 3. September 2021 fest. Sie ließ den Beklagten mit Schreiben ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom selben Tag (Anlage AST 6 = AS I 22) zur Unterlassung wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 Abs. 3, § 3a UWG auffordern. Das Abmahnschreiben führte insbesondere aus, "jeder Bestandteil einer E-Zigarette", wie Coils als "zwingend notwendige Bestandteile einer E-Zigarette", falle unter die Begriffe "E-Zigarette" und "nikotinfreies Erzeugnis" im Sinn von § 10 Abs. 4 JuSchG. Die Abmahnung forderte den Beklagten auf, sich strafbewehrt zu verpflichten, es zu unterlassen,

"im Fernabsatz Bestandteile von E-Zigaretten abzugeben, ohne Vorkehrungen zu treffen, um eine Abgabe dieser Waren an Kinder und Jugendliche zu verhindern,

wenn dies geschieht wie bei der Zustellung des Testkaufs des Produkts '[...] Coil 1,5 Ohm [...]', Bestellnummer [...] an Herrn [...] am 03.09.2021 in der aus Anlage 5 ersichtlichen Weise." (Hervorhebung nur hier)

Der Bevollmächtigte des Beklagten wies mit Schreiben vom 9. September 2021 (Anlage AST 7 = AS I 28) den Vorwurf des Gesetzesverstoßes mit der Begründung zurück, dass keine kompletten Verdampfer angeboten bzw. veräußert worden seien. Dazu führte er insbesondere sinngemäß aus: Ein Coil könne allenfalls ein Behältnis im Sinn von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG sein. Das Jugendschutzgesetz beziehe sich nicht auf Coils als bloße Ersatzteile für einen Verdampfer, der - anders als die Coils - ein Behältnis im Sinn von § 10 Abs. 3, 4 JuschG sei. Ergänzend wies er auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (PharmR 2017, 305) hin, wonach Behältnisse im Sinn von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG solche seien, in denen elektronische Zigaretten aufbewahrt würden und zudem Erzeugnisse sowie Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten in die Verbote einzubeziehen seien. Coils seien weder Behältnisse im erstgenannten Sinn noch - da sie kein E-Liquid enthielten - Nachfüllbehälter. In dem Schreiben erklärte der Bevollmächtigte des Beklagten ferner, der Beklagte verpflichte sich gleichwohl gegenüber der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, jedoch rechtsverbindlich,

"es bei einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Unterlassungsgläubigerin zu zahlenden angemessenen Vertragsstrafe, deren Höhe in das billige Ermessen der Gläubigerin gestellt ist und im und Streitfall der Überprüfung durch die zuständige Gerichtsbarkeit unterliegt, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

im Fernabsatz Verdampferköpfe, sog. 'Coils' von E-Zigaretten abzugeben, ohne Vorkehrungen zu treffen, um eine Abgabe dieser Waren an Kinder und Jugendliche zu verhindern,

wenn dies geschieht wie bei der Zustellung des Testkaufs des Produkts '[...] Coil 1,5 Ohm [...]', Bestellnummer [...] an Herrn [...] am 03.09.2021." (Hervorhebung nur hier)

Mit Schreiben vom 20. September 2021 (Anlage AST 8 = AS I 33) bekräftigte der Bevollmächtigte der Klägerin sein Gesetzesverständnis, wonach jegliche Bestandteile von E-Zigaretten, unabhängig von ihrer Verwendbarkeit im Einzelfall, unter den Begriff "nikotinfreie Erzeugnisse" und demnach auch Zubehörteile wie die Coils in den Anwendungsbereich von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG fielen. Mit dieser Begründung wies er di...

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