Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hemmung der Verjährung durch Zustellung einer nicht beglaubigten Abschrift der Klage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach der Änderung der Zustellungsvorschriften durch das Zustellungsreformgesetz zum 1.7.2002 ist eine beglaubigte Abschrift der Klage zuzustellen. Die Zustellung einer nicht beglaubigten Kopie reicht nicht aus.

2. Kopiert die Mitarbeiterin des Anwalts die im Original unterschriebene Klageschrift, und setzt zudem in der Kopie einen Beglaubigungsstempel in den Bereich der kopierten Unterschrift, erfüllt die so hergestellte Kopie nicht die Anforderungen an eine beglaubigte Abschrift.

3. Der Zugang einer mit dem Original übereinstimmenden unbeglaubigten Kopie der Klageschrift rechtfertigt grundsätzlich keine Heilung des Zustellungsmangels gemäß 189 ZPO.

4. Der Mangel der Zustellung - unbeglaubigte Kopie an Stelle einer beglaubigten Abschrift - kann durch rügelose Einlassung gem. § 295 Abs. 1 ZPO geheilt werden, wenn der Beklagte den Mangel des zugestellten Schriftstücks bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen können.

5. Die rügelose Einlassung nach der Zustellung einer nicht beglaubigten Kopie führt zu einer Heilung des Mangels ex nunc. Wenn die Verjährung zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, kommt eine rückwirkende Hemmung nicht in Betracht.

6. Beruht der Zustellungsfehler auf einem schuldhaften Fehler des Anwalts, liegen bei einer späteren Heilung die Voraussetzungen für eine demnächstige Zustellung (§ 167 ZPO) nicht vor. Auf die Frage, ob die Geschäftsstelle bei der Zustellung den Mangel der vom Anwalt hergestellten Abschrift hätte erkennen können, kommt es in diesem Fall nicht an.

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Ziff. 1; ZPO §§ 166-167, 186 Abs. 2, §§ 189, 253 Abs. 1, § 295

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 06.05.2013; Aktenzeichen 4 O 488/11 Me)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 wird das Urteil des LG Konstanz vom 6.5.2013 - 4 O 488/11 Me - im Kostenpunkt insgesamt aufgehoben und im Übrigen insoweit aufgehoben, als die Entscheidung die Beklagten Ziff. 1, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 betrifft.

II. Die Klage gegen die Beklagten Ziff. 1, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 wird abgewiesen.

III. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.

Die Kosten des Verfahrens vor dem LG tragen die Parteien wie folgt:

  • Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8 tragen die Kläger je zur Hälfte.
  • Die Gerichtskosten tragen der Kläger Ziff. 1 zu 7/16, die Klägerin Ziff. 2 zu 7/16 und der Beklagte Ziff. 2 zu 1/8.
  • Die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese jeweils zu 7/8 selbst, zu 1/8 trägt diese Kosten der Beklagte Ziff. 2.
  • Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 behält dieser auf sich.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können eine Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz nach einem aus ihrer Sicht gescheiterten Beitritt zu einem Immobilienfonds.

Die Kläger traten im Jahr 1995 dem in der Rechtsform einer GbR organisierten Immobilienfonds "S ... 2005" (im Folgenden abgekürzt: "GbR 2005") bei. Zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 1995 unterzeichneten die Kläger einen "Zeichnungsschein", in dem eine Beteiligung über einen Gesamtbetrag von 60.000 DM vorgesehen war (vgl. die als Muster vorgelegten Unterlagen, Anlage K 20a). Für den Beitritt war eine Abwicklung durch einen Treuhänder vorgesehen. Mit notarieller Erklärung vom 11.12.1995 (Anlage K 20b) erklärten die Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Treuhandgeschäftsbesorgungsvertrages. Treuhänder sollte der Beklagte Ziff. 8 sein. In einer späteren notariellen Erklärung nahm der Beklagte Ziff. 8 das Angebot an. In der Folgezeit bewirkte der insoweit als Treuhänder bevollmächtigte Beklagte Ziff. 8 den Beitritt der Kläger zur GbR 2005 durch Abgabe der erforderlichen Erklärungen. Die Rechtsverhältnisse der GbR 2005 waren durch den im Fondsprospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag Anlage K 1 geregelt. Die vereinbarte Summe von 60.000 DM wurde von den Klägern bezahlt.

Auf der Beklagtenseite sind - neben dem Beklagten Ziff. 8, der als Treuhänder für die Kläger tätig war, - die folgenden Beteiligten vorhanden:

  • Bei der Beklagten Ziff. 3 handelt es sich um eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie ist die Rechtsnachfolgerin einer der beiden Gründungsgesellschafterinnen der GbR 2005. Die Rechtsvorgängerin (S ... mbH & Co. KG) war gleichzeitig Herausgeberin des Fondsprospekts.
  • Bei der Beklagten Ziff. 5, einer Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, handelt es sich um die zweite Gründungsgesellschafterin.
  • Die Beklagte Ziff. 4 ist eine Gesellschaft in der Rechtsform...

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