Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils im Fall der Verbindung eines Antrags auf Verurteilung zur Zahlung eines bezifferten Mindestpflichtteils mit einer Stufenklage, die in der letzten Stufe auf Zahlung des noch zu beziffernden Gesamtanspruchs gerichtet ist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle der Verbindung einer Stufenklage mit einer bezifferten Teilklage, die auf die Zahlung eines "Mindestpflichtteils" gerichtet ist, ist die Zulässigkeit eines Teilurteils unabhängig von der Zulässigkeit der Teilklage als solche zu beurteilen. Während die Frage der Zulässigkeit einer Teilklage im Wesentlichen alleine die Teilbarkeit des Anspruchs betrifft, stellen sich für die Zulässigkeit eines Teilurteils weitere, nach den spezifischen Vorgaben des § 301 ZPO zu beurteilende Fragen, nämlich ob bei einer Teilentscheidung (nur) über die bezifferte Teilklage die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.

2. Soweit die Erben in Erfüllung ihrer Auskunfts- und Wertermittlungsermittlungsverpflichtungen ein vorläufiges Nachlassverzeichnis vorgelegt und Verkehrswertgutachten zu Nachlassimmobilien eingeholt haben, stellt dies die Erfüllung zweier nach materiellem Recht begründeter Ansprüche dar, nicht dagegen ein Prozessvorbringen mit Geständniswirkung. Der aus dem Nachlassverzeichnis und den Wertgutachten ermittelbare Nachlasswert ist deshalb nicht unstreitig.

3. Solange der Wert des Nachlasses zwischen den Parteien weder unstreitig ist noch aus anderen Gründen zweifelsfrei feststeht, scheidet der Erlass eines Teilurteils aus.

 

Normenkette

ZPO §§ 254, 301

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Aktenzeichen 2 O 151/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 26.05.2023, Az. 2 O 151/22, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten nach dem Tod des gemeinsamen Vaters im Wege der Stufenklage auf den ordentlichen Pflichtteil und gegebenenfalls auf Pflichtteilsergänzung einschließlich der vorbereitenden Hilfsansprüche auf Auskunft und Wertermittlung in Anspruch. Daneben macht sie im Wege einer bezifferten Teilklage einen "Mindestpflichtteil" in Höhe von 50.000 EUR geltend.

Die Parteien sind Geschwister. Ihr Vater, ... (geb. am ...), verstarb am .... Der Erblasser war verwitwet, seine Ehefrau ..., die Mutter der Parteien (geb. am ...), war am 11.01.2008 vorverstorben. Sie war von ihrem Ehemann (dem jetzigen Erblasser) und den Parteien als ihren drei Kindern zu je ¼ beerbt worden. Weitere Kinder hatte weder der Erblasser noch die Mutter der Parteien.

Am 20.03.2013 errichtete der Erblasser eigenhändig ein handschriftliches Testament. Darin setzte er die beiden Beklagten zu seinen Erben ein und die Klägerin auf den Pflichtteil (Testament vom 20.03.2013, Anlage K 2). Mit Schreiben vom 14.07.2021 zeigten die Rechtsanwälte ... die anwaltliche Vertretung der Beklagten an (Anlage K 3). Am 15.09.2021 antwortete die Klägerin, damals noch nicht anwaltlich vertreten, und forderte zur Erteilung eines Nachlassverzeichnisses und Zahlung des Pflichtteils unter Fristsetzung jeweils bis zum 08.10.2021 auf. Dabei behielt sich die Klägerin explizit vor, ihren Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen (Schreiben der Klägerin vom 15.09.2021, Anlage K 4). Nachdem nach Ablauf der gesetzten Frist weder ein Nachlassverzeichnis erteilt noch Zahlung geleistet worden war, forderte die Klägerin, nunmehr anwaltlich vertreten, die Beklagten erneut zur Auskunft, Erteilung von Belegen, Wertermittlung und Zahlung auf, diesmal unter Fristsetzung bis spätestens 31.12.2021 (Anwaltsschreiben der Klägerin vom 15.12.2021, Anlage K 5). Daraufhin erteilten die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2021 ein erstes privatschriftliches, teilweise noch lückenhaftes und von der Klägerin als nicht ganz fehlerfrei bezeichnetes Nachlassverzeichnis (Anlagenkonvolut K 6). Im Nachgang übermittelten die damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter dem 25.03.2022 ein Verkehrswertgutachten zur Eigentumswohnung in J., die im Eigentum des Erblassers und dessen Ehefrau stand, zum Wertermittlungs- und Qualitätsstichtag 06.05.2021. Darin wurde der Verkehrswert der gesamten Wohnung mit 216.000 EUR ermittelt. Auf den Nachlass des Erblassers fällt der hälftige Anteil, der nach dem Gutachten somit einem Wert von 108.000 EUR entspricht. Das vorläufige Nachlassverzeichnis (Anlage K 6) schließt mit einem saldierten Nachlassgesamtwert von 251.385,20 EUR. Darin sind sämtliche derzeit bekannten Passiva, insbesondere Bestattungskosten, bereits vollständig enthalten. Bei Addition des im Verzeichnis noch fehlenden Werts des hälftigen Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung ...

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