Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 20.6.2000, 4 O 50/00, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den im Urteil des LG Karlsruhe vom 20.6.2000 bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 173,58 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 19.3.1999 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg, die Anschlussberufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das LG ist zutreffend davon ausgegangen (auf die Darlegungen des LG im Urteil wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen), dass die Beklagte dem Kläger gem. §§ 839, 847 BGB, Art. 34 GG trotz der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf die Anlieger durch Satzung vom 14.11.1999 i.V.m. § 41 Abs. 2 Straßengesetz Baden-Württemberg haftet, denn der Beklagten oblag es auch in diesem Fall, durch die Überwachung der Anlieger Sorge dafür zu tragen, dass diese ihrer Räum- und Streupflicht nachkommen (vgl. BGH NJW 1966, 2311 [2312]; v. 11,6.1992 – II ZR 134/91, BGHZ 118, 368 [373] = MDR 1992, 1032). Dies räumt die Beklagte im Berufungsrechtszug auch ein (S. 3 des Schriftsatzes vom 4.10.2000, II 37). Zutreffend ist das LG aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte ihre Überwachungspflicht verletzt hat. Diese Überzeugung teilt der Senat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Geschädigte für die Verletzung der Überwachungspflicht grundsätzlich in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Umfang dieser Darlegungs- und Beweislast ist vom Vortrag der Beklagten abhängig. Nachdem diese hier vollständig darauf verzichtet, Art, Umfang und nähere Ausgestaltung der Überwachung der Anlieger dazulegen und damit die Vornahme der Überwachung noch nicht einmal substantiiert behauptet, genügt die Behauptung des Klägers, die Gemeinde überwache die Anlieger nicht, i.V.m. den Angaben des Zeugen H., der berichtet hat, dass er weder von der Eigentümergemeinschaft noch von der Gemeinde während der letzten zehn Jahre jemals dazu angehalten worden sei, diese Treppe zu streuen, obwohl er die Treppe nur meistens und damit nicht immer streut, um die Überzeugung von der Verletzung der Überwachungspflicht durch die Beklagte zu begründen.

Ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung gem. § 254 Abs. 1 BGB muss sich der Kläger indessen nicht anrechnen lassen, denn die für die Umstände, aus denen ein Mitverschulden des Geschädigten hergeleitet werden kann, in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtige Beklagte ist ihrer Verpflichtung zur Beweisführung nicht nachgekommen. Der Kläger hat im Berufungsrechtszug detailliert vorgebracht, dass der Handlauf auf der anderen S. der Treppe vereist gewesen sei und er sich deshalb dort nicht habe festhalten können. Dies hat die Beklagte noch nicht einmal bestritten, geschweige denn widerlegt. Damit fehlen im Berufungsrechtszug hinreichende Tatsachen, die einen Mitverschuldensvorwurf begründen könnten. Die Hinweise der Beklagten auf die allgemeine Rutschgefahr bei winterlicher Glätte vermögen ein Mitverschulden des Klägers nicht zu begründen. Dem steht schon Sinn und Zweck der Räum- und Streupflicht entgegen.

Die Höhe des dem Kläger durch die Beschädigung seiner Kleidung erwachsenen materiellen Schadens mit 679 DM ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass ihm ein Anspruch auf Zahlung weiterer 339,50 DM (= 173,85 Euro) zusteht.

Die vom Kläger angestrebte Erhöhung des vom LG zuerkannten Schmerzensgelds kommt gleichwohl nicht in Betracht. Unter Berücksichtigung von Art, Umfang, Schwere und Dauer der Beeinträchtigung ist auch bei einem Wegfall eines Mitverschuldensanteils des Klägers ein Schmerzensgeld i.H.v. 300 DM angemessen und ausreichend. Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich hier um Verletzungen und Verletzungsfolgen handelt, die im Bereich der Bagatellverletzungen anzusiedeln sind. Zwar hat sich der Kläger bei dem Sturz schmerzhafte Prellungen an der Lendenwirbelsäule und am Ellbogen zugezogen. Diese Verletzungen waren aber eher leicht, was sich daraus ergibt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt arbeitsunfähig war (dies behauptet er noch nicht einmal). Die Beeinträchtigung durch die Schmerzen war auch nicht derart, dass der Kläger zu deren Bekämpfung sogleich einen Arzt aufgesucht hätte. Er ließ sich dazu vielmehr einen Monat Zeit. Die Behandlung bestand ausweislich des vorgelegten ärztlichen Zeugnisses in der einmaligen Verordnung von Schmerzmitteln, woraus sich die fehlende Behandlungsbedürftigkeit der Prellungen selbst ergibt. Die behaupteten Schlafstöru...

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