Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung. Vor- und Nacherbschaft
Leitsatz (redaktionell)
Aus § 2120 BGB folgt ein Anspruch des Vorerben auf Einwilligung zu einer Verfügung schon dann, wenn die Zustimmungsbedürftigkeit auch nur zweifelhaft ist. Ein solcher Anspruch eines Voerben kommt deshalb insbesondere dann in Betracht, wenn die grundbuchmäßige Erledigung einer entgeltlichen Veräußerung eines Grundstücks durch einen befreiten Vorerben in Frage steht (Grunsky in MK zum BGB, 2. Aufl., § 2120 Rdnr. 3; RGRK-Johannsen, 12. Aufl., § 2120 Nr. 2). Denn auch der gemäß § 2136 BGB befreite Vorerbe ist in Bezug auf eine Verfügung über den Nachlass nie gänzlich frei, weil er ein Nachlassgrundstück nicht – auch nicht teilweise – verschenken darf (§ 2113 Abs. 2 BGB).
Normenkette
BGB §§ 2113, 2120
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 09.07.1991; Aktenzeichen 2 O 376/90) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 09.07.1991 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können eine Vollstreckung der Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung von 12 000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Sicherheit kann in beiden Fällen durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen deutschen Kreditinstitutes erbracht werden.
4. Die Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren beträgt 75 000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin R. B. ist Erbin der während des vorliegenden Rechtsstreits verstorbenen früheren Klägerin Anneliese B. geb. D. (künftig vereinfachend Klägerin genannt).
Die Parteien haben darum gestritten, ob die Klägerin als befreite Vorerbin des am 08.05.1984 verstorbenen Dr. M. B. Zustimmung von den Beklagten als Nacherben zu einer Veräußerung eines Nachlaßgrundstücks verlangen konnte.
Aufgrund privatschriftlichen Testaments des Erblassers mit Datum vom 10.06.1977 wurde die Klägerin, seine damalige Ehefrau, Vorerbin; die Beklagten, Kinder aus erster Ehe des Erblassers, wurden zu Nacherben eingesetzt. Unter Aufhebung früherer testamentarischer Verfügungen bestimmte der Erblasser in seinem letzten Testament von Todes wegen:
1.
…
2.
Ich setze zu meiner Vorerbin
über mein gesamtes Vermögen meine Ehefrau A. geb. D. ein. Sie wird, soweit gesetzlich zulässig, von allen Beschränkungen befreit.
3.
Nacherben zu gleichen Teilen sollen meine drei Kinder
T. B.
U. D.
G. B.
sein. Anstelle etwa verstorbener Nacherben sollen deren eheliche Nachkömmlinge zu gleichen Teilen treten.
4.
Hiermit bestimme ich gem. § 2044 BGB, dass in Ansehung meines Hausanwesens in L. die Auseinandersetzung zwischen den Nacherben auf die gesetzlich zulässige Höchstdauer ausgeschlossen wird. Sollte einer der Nacherben, oder an seine Stelle tretende Abkömmlinge von den anderen Nacherben während der gesetzlichen Höchstdauer der Ausschliessungszeit verlangen, dass das Hausanwesen verkauft oder veräußert wird, soll dieser Nacherbe oder sollen seine Rechtsnachfolger nur die Hälfte des ihnen zustehenden Wertes an dem Grundstück von den die Auseinandersetzung nicht betreibenden Angehörigen der Erbengemeinschaft anzusprechen haben.
5.
Sollten sämtliche Nacherben gemeinsam der Auffassung sein, dass das Hausanwesen veräussert werden soll, gilt das Verbot der Auseinandersetzung nicht.
Es ist jedoch mein ausdrücklicher Wunsch an die Nacherben, dass die Auseinandersetzung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist möglichst nicht durchgeführt wird.
6.
Ich bestimme ausdrücklich dass gegen den Willen eines Nacherben die Belastung des Hausanwesens mit Hypotheken oder anderen Grundpfandrechten auch dann nicht zulässig sein soll, wenn die Mehrheit der Nacherben dies wünscht.
…
7.
Am Tag der Errichtung des Testamentes fügte der Erblasser seinem Testament folgende Zusatzbestimmung bei:
Meine Frau besitzt das notariell eingetragene Wohnrecht im Haus …. Wir beide haben in unserem Heim eine glückliche und harmonische voll Liebe und gegenseitigem Verstehen geprägte Ehe geführt, so daß es selbstverständlich ist, daß A. in unserem Heim, wenn ich nicht mehr an ihrer Seite stehen werde, weiter leben wird, so wie sie hier geschaltet und gewaltet hat. Deshalb gehen auch sämtliche Mobilien und Immobilien der Wohnung in ihren Besitz über.
…
Aufgrund dieser testamentarischen Verfügungen wurde die Klägerin am 21.06.1985 als Eigentümerin des Nachlaßgrundstücks … L. in das Grundbuch eingetragen. Zugleich wurde vermerkt, daß die Klägerin befreite Vorerbin und die Beklagten Nacherben sind.
Die Beklagte besaß außer diesem Nachlaßgrundstück ein eigenes Grundstück mit einem Mehrfamilienhaus in ihrer Heimatstadt W.
Um mehr Geldmittel zur persönlichen Verwendung zur Verfügung zu haben – die Klägerin war zuletzt in einem Pflegeheim in W. untergebracht –, entschloß die Klägerin sich, das Nachlaßgrundstück in L. zu verkaufen. Dieses war durch den Gutachterausschuß der Stadt am 25.10.1989 auf einen Wert ...