Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Gründungskommanditisten einer Publikums-KG bei Prospektfehlern - Fristlose Kündigung der Beteiligung durch den Anleger bei einer Treuhandkonstruktion
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds den unzutreffenden Eindruck erweckt, es handele sich um eine sichere Kapitalanlage, die in besonderer Weise zur Altersversorgung geeignet sei, kommt ein Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen den für den Prospekt verantwortlichen Fondsinitiator in Betracht.
2. Der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds muss über personelle und kapitalmäßige Verflechtungen zwischen dem Fondsinitiator und den Verkäufern, von denen der Fonds die Immobilien erworben hat, aufklären. Eine unzureichende Darstellung, in der die Risiken von Interessenkollisionen zudem verschleiert werden, kann einen Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen den Fondsinitiator aus culpa in contrahendo auslösen.
3. Bei zum Schadensersatz verpflichtenden Prospektfehlern kann der Anleger die Beteiligung fristlos kündigen. Das gilt auch bei einer Treuhandkonstruktion, und zwar jedenfalls dann, wenn der Gesellschaftsvertrag dem Anleger eine Stellung einräumt, die rechtlich einer unmittelbaren Beteiligung angenähert ist.
Normenkette
Culpa in contrahendo; BGB §§ 278, 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 738 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 17.01.2012; Aktenzeichen 4 O 15/10 M) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin und auf die Berufung der Beklagten Ziff. 2 wird das Urteil des LG Konstanz vom 17.1.2012 - 4 O 15/10 M - im Kostenpunkt aufgehoben, und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst mit der Maßgabe, dass im Umfang der Verurteilung das Teil-Versäumnisurteil des LG Konstanz vom 15.2.2011 aufrechterhalten wird:
1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, für die Beteiligung der Klägerin aus dem Vertrag Nr. 197021608 ohne Berücksichtigung von Kosten und Gebühren für die vorzeitige Vertragsbeendigung eine Auseinandersetzungsbilanz zum Stichtag 4.2.2010 zu erstellen und an die Klägerin zu übermitteln.
2. Es wird festgestellt, dass das Beteiligungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziff. 1 unter der Nr. 197021608 nicht mehr besteht, und dass der Beklagten Ziff. 1 aus und im Zusammenhang mit dieser Beteiligung keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen, mit Ausnahme eines eventuellen Anspruchs aus der noch zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz.
3. Die Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an die Klägerin 5.477,62 EUR zu bezahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.2.2010, Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte Ziff. 1 und gegen die Treuhandkommanditistin aus und im Zusammenhang mit der Beteiligung Nr. 197021608.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 2 verpflichtet ist, die Klägerin von allen bestehenden und künftigen Forderungen der Beklagten Ziff. 1 aus und im Zusammenhang mit der Beteiligung Nr. 197021608 über nominal 18.000 DM freizustellen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte Ziff. 1 und gegen die Treuhandkommanditistin aus und im Zusammenhang mit der Beteiligung Nr. 197021608.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 2 sich mit der Annahme der Abtretung der Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 1 und gegen die Treuhandkommanditistin (vgl. Ziff. 3 und Ziff. 4 oben) im Annahmeverzug befindet.
6. Der Beklagten Ziff. 2 wird als Erbin des am 6.1.2000 in Markdorf verstorbenen W. S. die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorbehalten.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und wird das Teil-Versäumnisurteil vom 15.2.2011 aufgehoben.
II. Wegen des unbezifferten Zahlungsantrags der Klägerin gegen die Beklagte Ziff. 1 wird das Verfahren an das LG Konstanz zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
IV. Die weiter gehende Berufung der Beklagten Ziff. 2 wird zurückgewiesen.
V. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen beide Beklagte je zur Hälfte.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte Ziff. 1 kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 EUR, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte Ziff. 2 kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VII. Die Revision wird für beide Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin zeichnete am 6.10.1998 über eine Treuhandkommanditistin eine Beteiligung i.H.v. 18.000 DM an der S. W. mbH & Co. KG, der Beklagten Ziff. 1. Initiator und Gründungskommanditist des Immobilienfonds war der inzwischen verstorbene W. S. (im Folgenden abgekürzt: W. S.). Die Beklagte Ziff. 2 ist aufgrund eines Erbvertrages Alleinerbin des verstorbenen W. S.. Wegen verschiedener Prospektmängel macht die Kläger...