Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der Belehrungspflicht bei nachträglicher Herabsetzung der Versicherungssumme in einer Geschäftsversicherung.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 17.07.2012; Aktenzeichen 7 O 70/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 17.7.2012 (7 O 70/12) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen Falschberatung.
Die Klägerin, die einen Fachhandel für Fotozubehör betreibt, unterhielt bei der Beklagten mehrere Versicherungsverträge, u.a. eine Inhaltsversicherung zum Neuwert. Versichert waren dabei die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie der Warenbestand gegen Einbruchsdiebstahl und sonstige Risiken.
Am 16.9.2011 fand zwischen dem Geschäftsinhaber der Klägerin und dem Zeugen K, einen bei der Beklagten angestellten Außendienstmitarbeiter, ein Beratungsgespräch statt, in dessen Folge das Versicherungsvertragsverhältnis neu geordnet und für die Inhaltsversicherung die ursprünglich vereinbarte Versicherungssumme von 480.000 EUR auf 390.000 EUR reduziert wurde. Das nicht unterzeichnete Beratungsprotokoll mit Datum vom 7.9.2011 weist aus, dass "kein Beratungsbedarf zu mindestens einem Versicherungsthema" bestanden und der Kunde "die Umstellung/Bündelung der bisher bestehenden Versicherungsverträge in eine neue Unternehmenspolice" gewünscht habe. Als Grund für den erteilten Rat wird im Beratungsprotokoll "Einsparpotential" angegeben sowie, dass "keine abweichenden Kundenwünsche zur empfohlenen Versicherung/Absicherung" bestanden haben.
Aufgrund eines Einbruchs vom 6.10.2011 entstand der Klägerin ein Diebstahlschaden i.H.v. 129.437 EUR. Der Ersatzwert der versicherten Gegenstände zum Neuwert belief sich auf 686.940 EUR. Die Beklagte berief sich auf Unterversicherung und erstattete der Klägerin lediglich den Betrag von 80.834,53 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge K habe die Versicherungssumme der Inhaltsversicherung unzutreffend ermittelt, indem er nach Vorlage der Buchführungsunterlagen statt der Anschaffungswerte der versicherten Gegenstände die deutlich geringeren Buchwerte zugrunde gelegt habe. Der Zeuge habe auch nicht auf die Risiken einer Unterdeckung hingewiesen. Die Klägerin hat bestritten, dass von ihr bei dem Beratungsgespräch eine Absenkung der Versicherungssumme aus Kostengründen gewünscht worden sei. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zeuge K habe bei Neuordnung des Versicherungsverhältnisses gegen seine Bedarfsermittlungs- und Beratungspflicht verstoßen, was der Beklagten zuzurechnen sei.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.602,47 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.3.2012 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Zeuge K die Versicherungssumme selbst ermittelt habe und ihm bei dem Beratungsgespräch Unterlagen zu den Warenwerten vorgelegt worden seien. Die Versicherungssumme sei vielmehr vom Inhaber der Klägerin selbst errechnet und von ihm eine Reduzierung gewünscht worden. Der Zeuge K habe auf die Gefahr einer Unterversicherung und die Maßgeblichkeit der Neuwerte hingewiesen. Der Versicherungsvertrag sei nach entsprechender Belehrung auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin mit dem vorliegenden Inhalt zustande gekommen. Im Übrigen hätte auch nach dem ursprünglichen Versicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 480.000 EUR eine Unterversicherung bestanden. Der Klägerin seien bereits Schadensersatzzahlungen vom Hersteller der zur Einbruchsicherung verwendeten Alarmanlage zugeflossen, die sie sich auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen müsse.
Das LG hat nach durchgeführter Beweisaufnahme mit Urteil vom 17.7.2012, auf das wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, der Klage teilweise i.H.v. 36.451,85 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 5 Satz 1 VVG wegen Falschberatung zustehe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Beklagte die ihr obliegende Bedarfsermittlungspflicht schuldhaft verletzt habe. Zwar beschränke sich diese auf eine Fragepflicht. Der Zeuge K habe aber in jedem Fall deutlich machen müssen, dass der Neuwert der versicherten Gegenstände für die Ermittlung der Versicherungssumme maßgeblich sei. Aufgrund der unzureichenden Dokumentation des Beratungsgesprächs spreche für die Verletzung dieser Pflichten eine tatsächliche Ve...