Leitsatz (amtlich)
Hat der Sozialhilfeträger den zu zahlenden Unterhaltsbetrag gegenüber dem Unterhaltsschuldner festgesetzt bzw. auf dessen danach erfolgter Intervention eine Überzahlung festgestellt und eine Verrechnung vorgenommen, so ist ihm gegenüber ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der einer nachträglichen Erhöhung des festgesetzten Unterhaltsbetrages entgegensteht.
Normenkette
BSHG § 91 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Aktenzeichen 6 F 74/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG – FamG – Karlsruhe vom 8.6.2000 (6 F 74/00) unter Aufhebung im Kostenpunkt wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum Mai 1995 bis März 2000 aus übergegangenem Recht einen Unterhaltsbetrag von 3.331,07 Euro nebst 5,06 % Zinsen aus 3.246,70 Euro für die Zeit vom 24.12.1999 bis zum 30.4.2000 sowie 8,42 % Zinsen hieraus für die Zeit vom 1.5.2000 bis zum 31.8.2000 und 9,26 % Zinsen ab dem 1.9.2000 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Unterhalt für seine im Jahr 1912 geborene, im Oktober 2000 verstorbene Mutter für den Zeitraum ab 1.5.1995 in Anspruch.
Die Klägerin gewährt der Mutter des Beklagten seit 1978 Sozialhilfe, da deren Rente nicht ausreicht, um ihren Aufenthalt in einem Altersheim zu finanzieren. Erstmals mit Schreiben vom 7.12.1978 leitete die Klägerin die Unterhaltsansprüche auf sich über. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.5.1995 bis zum 30.11.1999 wendete die Klägerin 99.227,15 DM für die Mutter des Beklagten auf. Hiervon hat sie vom Beklagten mit Schreiben vom 24.11.1999 46.265 DM gefordert. Der Beklagte hat unstreitig an die Klägerin 29.865 DM gezahlt. Der Differenzbetrag i.H.v. 16.400 DM ist Gegenstand der Klage.
Die Klägerin hat in regelmäßigen Abständen von ca. 2 Jahren vom Beklagten Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gefordert und hieran anschließend jeweils 1993, 1995 und 1997 monatliche Unterhaltszahlungen geltend gemacht.
Der Beklagte war ab Mai 1995 zu Unterhaltszahlungen i.H.v. 460 DM monatlich sowie ab September 1997 i.H.v. 810 DM monatlich aufgefordert worden. Bis August 1997 hat der Beklagte die geforderten Beträge gezahlt. In dem Unterhaltsfestsetzungsverfahren 1997 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 28.10.1997 die Unterhaltsbeträge angezweifelt. Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 17.4.1998 wegen Anrechnung eines höheren Selbstbehalts von 1.920 DM eine Überzahlung des Beklagten für den Zeitraum Mai 1995 bis August 1997 i.H.v. monatlich 160 DM, insgesamt 4.480 DM, festgestellt und ab September 1997 unter Verrechnung der Überzahlung weiterhin monatlich 810 DM verlangt. Nachdem der Beklagte auch diese Unterhaltsbeträge nicht akzeptieren wollte, setzte die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 24.11.1999 den Unterhalt wie folgt fest: von Mai 1995 bis Dezember 1996 monatlich 700 DM, für Januar 1997 600 DM, von Februar 1997 bis Dezember 1997 monatlich 810 DM, von Januar 1998 bis Juni 1998 monatlich 1.030 DM und von Juli 1998 bis November 1999 monatlich 975 DM, insgesamt 46.265 DM.
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund ihrer jeweils übersandten Rechtswahrungsanzeigen, mit denen sie den Beklagten auch zur erneuten Auskunftserteilung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert habe, auch zur Geltendmachung rückständigen Unterhalts berechtigt zu sein. Da der Beklagte die Richtigkeit der festgesetzten Unterhaltsbeträge stets angezweifelt habe, sei kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen worden, dass er keine höheren Beträge als im Schreiben vom 17.4.1998 gefordert schulde.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 46.265 DM abzgl. gezahlter 29.865 DM, also 16.400 DM, nebst Zinsen von 5,06 % jährlich aus 16.400 DM ab dem 24.12.1999 zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Zur Begründung beruft er sich auf die Berücksichtigung höherer Selbstbehaltssätze und mangelnde Leistungsfähigkeit. Zudem müsse sich die Klägerin am Inhalt ihres Schreibens vom 17.4.1998 festhalten lassen, danach schulde er über die geleisteten Zahlungen hinaus keinen Unterhalt mehr.
Das FamG hat mit Urt. v. 8.6.2000 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe sich mit der streitigen Klageforderung weder im Zahlungsverzug befunden noch habe die Klägerin gem. § 91 Abs. 3 S. 1 BSHG Unterhalt für die Vergangenheit fordern können. Da die Klägerin jeweils zu Beginn eines Unterhaltszeitraumes vorbehaltlos aufgrund der vorliegenden Auskünfte den Unterhalt berechnet habe, habe sich der Beklagte mit den erst nach Abschluss der Unterhaltsräume festgesetzten Unterhaltsbeträgen nicht in Verzug befunden. Aufgrund der vorbehaltslosen Festsetzung der Beträge könne auch nicht nach § 91 Abs. 3 S. 1 BSHG der Unte...