Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität nicht eröffnet für Insolvenzanfechtungsklage wegen Zahlungen auf ausländische Steuerschuld.

 

Normenkette

EuInsVO Art. 2, 6; GG Art. 25; GVG § 20 Abs. 2; InsO § 133

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 31.07.2023; Aktenzeichen 2 O 343/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 31.07.2023, Az. 2 O 343/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Offenburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Rückzahlung zweier Zahlungen, welche die Insolvenzschuldnerin auf Umsatzsteuerverbindlichkeiten geleistet hat.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der O. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Der Beklagte ist der polnische Fiskus. Die Insolvenzschuldnerin stellte bei dem Amtsgericht Offenburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der am 25.11.2021 bei dem Gericht einging. Der Beklagte wurde seitens der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 29.11.2021 über den am 25.11.2021 gestellten Insolvenzantrag informiert. Am 17.12.2021 und 24.12.2021 leistete die Insolvenzschuldnerin von ihrem Geschäftskonto bei der S. S.A. zwei Zahlungen in Höhe von PLN (polnische zloty) 2.773.179,00 und PLN 3.557.487,00 an den Beklagten. Die Zahlungen erfolgten wegen Umsatzsteuerverbindlichkeiten, welche die Insolvenzschuldnerin durch die Einfuhr außereuropäischer Waren in das von ihr unterhaltene Logistikzentrum in B./Polen in den Monaten Oktober 2021 und November 2021 begründet hatte. Mit Beschluss vom 26.01.2022 eröffnete das Amtsgericht Offenburg über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und bestellte den Kläger zum Sachwalter.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe die erste Zahlung vollständig und die zweite Zahlung in Höhe von PLN 2.964.572,50, insg. deshalb PLN 5.737.751,50 an den Kläger zurückzuzahlen, da die Steuerzahlungen der Insolvenzschuldnerin der Insolvenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO unterliegen würden. Den restlichen Teil der zweiten Zahlung greift er nicht an, da es sich insoweit aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Bestellung des Klägers zum vorläufigen Sachwalter um Masseverbindlichkeiten handele (vgl. Klageschrift S. 5).

Das Landgericht Offenburg sei sowohl örtlich, sachlich als auch international gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und Art. 6 Abs. 1 EuInsVO zuständig. Auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität dürfe sich der Beklagte nicht berufen, weil der dem Zivilrecht zuzuordnende anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch von der hoheitlichen Tätigkeit der Steuererhebung zu unterscheiden und im hiesigen Rechtsstreit die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Handelns des Beklagten nicht zu überprüfen sei. Jedenfalls gehe die EuInsVO dem Grundsatz der Staatenimmunität vor.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger PLN (polnische zloty) 5.737.751,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die fehlende Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit. Er könne sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität berufen, da er als Fiskus der Republik Polen im Rahmen der Einziehung der polnischen Umsatzsteuer hoheitlich gehandelt habe. Auf seine Immunität habe er nicht verzichtet.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Der Beklagte habe mit der Einziehung der Umsatzsteuer eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt. Es sei mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüfe. Der Beklagte habe sich auch ausdrücklich auf die ihm zukommende Staatenimmunität berufen. Die Zustimmung Polens zur EuInsVO stelle keinen Verzicht auf die Staatenimmunität dar. Die Verordnung sei nicht durch völkerrechtlichen Vertrag zustande gekommen, sondern stelle Sekundärrecht der Europäischen Union dar, zudem regele sie keine Fragen der Staatenimmunität, sondern die internationale Zuständigkeit. Diese sei aber eine von der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterscheidende Prozessvoraussetzung.

Der Kläger hat gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen An...

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