Entscheidungsstichwort (Thema)
Pedelec. absolute Fahruntüchtigkeit. Strafrecht. Verkehrsrecht. Zur alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit von Pedelec-Fahrern
Leitsatz (amtlich)
1. Elektrofahrräder mit Begrenzung der motorunterstützen Geschwindigkeit auf 25 km/h (sog. Pedelecs) sind auch strafrechtlich nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen.
2. Ein Erfahrungssatz, dass Pedelec-Fahrer unterhalb des für Fahrradfahrer geltenden Genzwertes von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind, besteht nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht.
Normenkette
StGB § 316 Abs. 2; StVG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Staufen (Entscheidung vom 06.02.2019; Aktenzeichen 1 Cs 520 Js 25963/18) |
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 28.11.2019; Aktenzeichen 32/19 14 Ns 520 Js 25963/18) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 28.11.2019 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten hieraus entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde von Amts- und Landgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr freigesprochen. Nach den im Berufungsurteil des Landgerichts Freiburg getroffenen Feststellungen stieß der Angeklagte am Abend des 9.5.2018 als Fahrer eines Pedelec mit einer auf seinen Fahrweg einbiegenden Fahrradfahrerin zusammen. Bei dem Pedelec handelt es sich um ein Elektrofahrrad mit einem zuschaltbaren Elektromotor mit einer Nenndauerleistung von 250 Watt, der das Fahrrad bis zu einer Geschwindigkeit von 6 km/h ohne Trittunterstützung, darüber bis zu einer Geschwindigkeit bis 25 km/h beim Treten (mit-) antreibt. Nach den weiteren Feststellungen hatte der Angeklagte dabei eine maximale Alkoholkonzentration von 1,59 ‰ im Blut, ohne dass die vorhandenen Beweise für die Annahme ausreichten, der Angeklagte sei deshalb alkoholbedingt nicht mehr zum Führen des Fahrzeugs in der Lage gewesen. Im Weiteren sind Amts- und Landgericht auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 StVG davon ausgegangen, dass Pedelecs nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen sind und deshalb bei der Beurteilung der absoluten Fahruntüchtigkeit nicht der für Kraftfahrer geltende Grenzwert von 1,1 ‰, sondern der für Fahrradfahrer geltende Grenzwert von 1,6 ‰ zugrunde zu legen ist. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Freiburg mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die auch von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vertreten wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat deshalb die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen, der Verteidiger Verwerfung der Revision beantragt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
Eine Verurteilung kann weder wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) noch wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 OWiG erfolgen.
1. Hinsichtlich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr kommt es für die Entscheidung auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen maßgeblich darauf an, ob - was die Revision bejaht - Führer von Pedelecs bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ absolut fahruntüchtig sind, also auch ohne Hinzutreten weiterer Beweisanzeichen unwiderleglich als zum Führen des Fahrzeugs ungeeignet anzusehen sind. Ein entsprechender Erfahrungssatz besteht indes derzeit nicht.
a. Der für die Führer von Kraftfahrzeugen geltende Grenzwert von 1,1 ‰ Blutalkoholkonzentration ist schon deshalb nicht auf Pedelecs übertragbar, weil es sich dabei entgegen der von der Revision unter Berufung auf Stimmen in der Literatur (vor allem König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 316 Rn. 17) vertretenen Auffassung auch im strafrechtlichen Sinn nicht um Kraftfahrzeuge handelt.
aa) Dabei steht außer Frage, dass Pedelecs - jedenfalls bei zugeschaltetem Motor - technisch Kraftfahrzeuge sind, weil sie im Geschwindigkeitsbereich bis 25 km/h - unterhalb von 6 km/h auch ohne Tretleistung des Fahrers - durch Maschinenkraft bewegt werden (vgl. § 1 Abs. 2 StVG).
bb) Nach Auffassung des Senats kommt der rechtlichen Ausnahme der Pedelecs vom straßenverkehrsrechtlichen Kraftfahrzeugbegriff in § 1 Abs. 3 StVG indes auch für die Auslegung desselben Begriffes im Strafrecht entscheidende Bedeutung zu.
(1) Dabei verkennt der Senat nicht, dass in § 1 Abs. 3 StVG ausdrücklich bestimmt ist, dass diese Elektrofahrräder keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes, also des Straßenverkehrsgesetzes, sind und Anlass für die Einfügung des § 1 Abs. 3 StVG durch das Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 17.6.2013 (BGBl. I S. 1558) eine Zulassungsfragen betreffende EU-Richtlinie war (BT-Drs. 17/12856 S. 11).
(2) Gleichwohl ist es allgemein anerkannt, dass die Begrifflichkeiten straßenverkehrsrechtlicher Gesetze wegen des gleichen Schutzzwecks, der Verkehrssicherheit, auch bei der Auslegung der den St...