Leitsatz (amtlich)

Die Kündigung einer Krankenversicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, zeitigt erst zum Zeitpunkt der Vorlage des Nachweises der Anschlussversicherung Wirkungen. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Versicherer findet nicht statt.

 

Normenkette

VVG § 193 Abs. 3 S. 1, §§ 206, 208; MB/KK 2009 § 13

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 19.04.2011; Aktenzeichen 3 O 397/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 19.4.2011 - 3 O 397/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, begehrt aus einem die Pflicht aus § 193 Abs. 3 VVG erfüllenden Krankenversicherungsvertrag mit dem Beklagten Zahlung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen für den Zeitraum von Januar bis August 2010. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten am 29.12.2009 ausgesprochenen Kündigung.

Mit Schreiben vom 23.11.2009, das jedenfalls Anfang Dezember 2009 zuging, hatte der Kläger unter Übersendung eines Nachtrags zum Versicherungsschein eine Beitragsanpassung mit Wirkung zum 1.1.2010 angekündigt.

Der Kläger hat behauptet, die Beitragserhöhung habe sich ausschließlich auf den Beklagten bezogen, nicht jedoch auf dessen Töchter. Deren Versicherung habe daher nicht gekündigt werden können. Die Kündigung für den Beklagten selbst sei nicht wirksam geworden, da kein Nachweis über eine Anschlussversicherung des Beklagten beigelegen habe. Dies sei dem Beklagten mit Schreiben vom 15.1.2010 mitgeteilt worden. Der Nachweis einer ab 1.1.2010 bestehenden anderen Krankenversicherung für den Beklagten sei dem Kläger aber erst mit der Klageerwiderung im Oktober 2010 zugegangen.

Der Kläger hat beantragt den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 5.565,33 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Er hat behauptet, das Schreiben des Klägers vom 23.11.2009 sei nur so zu verstehen, dass die Beitragsanpassung den gesamten Versicherungsvertrag betreffe, da im Nachtrag zum Versicherungsschein nicht nur bezüglich seiner Person ein Zuschlag mit dem Buchstaben "R" gekennzeichnet gewesen sei, sondern auch bei seinen Kindern. Deshalb habe sowohl ihm als auch seinen beiden Töchtern ein Kündigungsrecht zugestanden. Die Kündigung sei wirksam erklärt worden, da er mit Fax vom 29.12.2009 auch den Nachweis einer Anschlussversicherung für sich und seine Töchter erbracht habe. Diesem sei auch die Bescheinigung eines anderen Krankenversicherers vom Juli 2009 beigefügt gewesen, aus der hervorgegangen sei, dass für den Beklagten mit Wirkung zum 1.1.2010 bei dieser Gesellschaft sowohl eine Krankenversicherung als auch eine Pflegepflichtversicherung bestehe, die den Anforderungen des § 193 Abs. 3 S. 1 VVG genüge. Jedenfalls mit nachgereichtem Nachweis einer Anschlussversicherung sei die Kündigung rückwirkend wirksam geworden. Daher schulde er weder Beitragszahlungen noch Säumniszuschläge. Das Schreiben vom 15.1.2010 sei ihm nicht zugegangen.

Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die tatsächlichen Feststellung des LG wird Bezug genommen. Das LG hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Beklagte mangels eines mit der Kündigung zugleich vorgelegten Nachweises einer bestehenden Anschlussversicherung das ihn betreffende Versicherungsverhältnis nicht wirksam zum 31.12.2009 gekündigt habe und er hinsichtlich seiner Töchter nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei, da sich die Prämienerhöhung nur auf ihn bezogen habe. Eine Rückwirkung durch spätere Vorlage des Nachweises der Anschlussversicherung sei in §§ 205 Abs. 4, 6, 193 Abs. 3 VVG nicht vorgesehen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er unter Fortführung seiner Rechtsverteidigung weiterhin volle Klagabweisung begehrt. Zudem hebt er darauf ab, dass der Kläger seiner Zurückweisungspflicht bei unwirksamer Kündigung nicht nachgekommen sei, da das Schreiben des Klägers vom 15.1.2010 nicht zugegangen sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Hinsichtlich der Töchter des Beklagten bestand gem. § 205 Abs. 4 VVG keine Berechtigung zur Kündigung (1). Dem Beklagten ist es nicht gelungen zu belegen, dass seiner Faxsendung vom 29.12.2009 ein Nachweis der Anschlussversicherung vom 29.7.2009 beilag (2.) Die Vorlage des Nachweises im Oktober 2010 verschafft der Kündigung vom 29.12.2009 keine Rückwirkung auf den mit der Klage geltend gemachten Zeitraum (3.). Der Kläger ist auch nicht wegen einer Verletzung seiner Hinweisobliegenheit nach Treu und Glauben gehindert, seine - im...

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