Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Einbruchsdiebstahl bei Aufdrücken der Tür mit leichter Kraft
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsnehmer hat den Beweis für das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahl nicht erbracht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass der Täter dadurch eingedrungen ist, dass er die Wohnungstür ohne Gewaltanwendung durch einfachen Druck gegen die Tür geöffnet hat.
Normenkette
VHB § 5 Ziff. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 30.09.2005; Aktenzeichen 3 O 259/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 30.9.2005 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der behauptete Anspruch aus der bei der Beklagten unterhaltenen Hausratsversicherung nicht zu.
1. Die Klägerin hat bereits nicht den erforderlichen Vollbeweis für das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls i.S.d. § 5 Ziff. 1 VHB 92 erbracht, welches mit hinreichender Sicherheit auf einen Versicherungsfall schließen ließe (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., Rz. 1 zu § 5 VHB 84). Die Feststellungen des LG zu diesem Punkt stehen in Widerspruch zum unstreitigen Sachverhalt und zu dem erstinstanzlich erhobenen Gutachten des Sachverständigen G. Sie sind für den Senat nicht bindend, § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Einer erneuten Beweisaufnahme hierzu bedarf es nicht.
a) Das LG hat als feststehend angenommen, der Täter habe das Fenster mittels eines Werkzeuges gewaltsam geöffnet und sei in die Wohnung eingestiegen. Sodann habe er das Fenster wieder von innen geschlossen und den Vorhang zugezogen, Schmuck und Pelz an sich genommen, mittels eines am Schlüsselbrett hängenden Schlüssels die Haustür aufgeschlossen, den Schlüssel zurückgehängt, die Wohnung verlassen und die Tür hinter sich zugezogen. Anschließend habe sich die Tür von selbst wieder geöffnet.
Ein derartiger Geschehensablauf ist zwar möglich, aber noch nicht einmal überwiegend wahrscheinlich. Denn der Erstrichter hat es bei seiner Überzeugungsbildung versäumt, sich mit einem alternativen Geschehensablauf auseinander zusetzen, der nach den äußeren Umständen des Falles nahe liegt: Der Täter kann nämlich die Wohnung ebenso gut ohne Gewaltanwendung durch die Wohnungstür betreten haben wie gewaltsam durch das Fenster. In diesem Fall wären jedoch die Merkmale eines "Einbruchs" i.S.d. Versicherungsbedingungen nicht erfüllt.
b) Wie das LG, insoweit bindend, festgestellt hat, sind die Einbruchsspuren am Küchenfenster dem behaupteten Diebstahl zeitlich nicht sicher zuzuordnen. Nicht nur wurden die Spuren erst rund zwei Monate nach der Strafanzeige der Klägerin entdeckt, es war auch nicht möglich, nachträglich ihr Alter näher zu bestimmen. Des Weiteren stand die Wohnungstüre im tatrelevanten Zeitraum unstreitig eine Zeit lang offen und wies - ohne das der Erstrichter hierauf eingegangen wäre - nach den plausiblen Ausführungen des kriminaltechnischen Sachverständigen G. Spuren einer nicht gewaltsamen Öffnung auf. Der Sachverständige hat hierzu in seinem Gutachten vom 26.4.2004 und auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten vertieft in der ergänzenden Stellungnahme vom 22.6.2004 folgendes ausgeführt: Zwar habe es an der Wohnungstür keine Spurenmerkmale gegeben, die auf ein gewaltsames Öffnen mittels Werkzeugeinsatzes von der Flurseite her schließen ließen. Es sei jedoch festzustellen gewesen, dass sich die Tür in eintourigem Verschlusszustand nicht geordnet verschließen lasse. Der Riegel greife nur so gering hinter die Haltekante des Schließblechs, dass einfacher Druck auf das Türblatt genüge, um die Tür zu öffnen. Entsprechende Spurenmerkmale seien an der Stirnseite des Riegels und an der Ausnehmung des Schließblechs vorhanden, wobei auch zum Alter dieser Spuren keine Aussage getroffen werden könne. Da die Klägerin anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben habe, die Tür nur zugezogen oder eintourig verschlossen zu haben, erscheine ein derartiger Ablauf möglich (vgl. Gutachten S. 21 f. sowie Bilddokumentation s. 25; Ergänzende Stellungnahme S. 8 f.; I, 223).
Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Tür vor ihrer Abreise höchstens eintourig verschlossen hatte. Anlässlich ihrer mündlichen Anhörung vor dem Senat hat sie allerdings erstmals vorgetragen, sie schließe ihre Wohnungstür bei längerer Abwesenheit regelmäßig zweitourig ab. Dieses pauschale Vorbringen überzeugt den Senat jedoch nicht, nachdem die Klägerin weder im polizeilichen Ermittlungsverfahren (vgl. Beiakte Staatanwaltschaft Stuttgart) noch erstinstanzlich (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem LG Konstanz v. 9.11.2004, S. 1) konkret zweitouriges Abschließen behauptet hat. Vielmehr hat sie sich - trotz substantiierten Vortrags der Beklagten zu diesem Punkt - stets auf das Vorbringen beschränkt, d...