Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 1 Abs. 2 HPG definierte Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Ausübung der Heilkunde stets dann vorliegt, wenn die Tätigkeit ärztliche bzw. medizinische Fachkenntnisse erfordert und die Behandlung - bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit - gesundheitliche Schädigungen verursachen kann.

2. Faltenunterspritzen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten stellt deshalb eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 HPG dar.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 05.08.2011; Aktenzeichen 8 O 22/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Konstanz, 8. Kammer für Handelssachen, - AZ: 8 O 22/11 KfH - vom 5.8.2011 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt, ohne behördliche Erlaubnis Faltenunterspritzungen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten durchzuführen oder solchartige Behandlungen anzubieten und zu bewerben.

2. Im Übrigen wird der Antrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Verfügungsklägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz/HPG).

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) betreibt in der Schweiz in Grenznähe zu Deutschland ein "Kompetenzzentrum für ästhetische Medizin" und führt dort u.a. Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäure durch. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) betreibt in räumlicher Nähe zur Klägerin in Deutschland zwei Kosmetiksalons, in denen sie ebenfalls Faltenunterspritzungen unter Verwendung dieser Säure durchführt. Die Klägerin will der Beklagten untersagen lassen, ohne behördliche Erlaubnis Faltenunterspritzungen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen oder botolinumtoxinhaltigen Präparaten durchzuführen oder solche Behandlungen anzubieten und zu bewerben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Nachdem auf Antrag der Klägerin durch Beschluss vom 20.6.2011 eine entsprechende einstweilige Verfügung erging, hat das LG nach Widerspruch durch die Beklagte sodann mit Urteil vom 5.8.2011 die einstweilige Verfügung vom 20.6.2011 aufgehoben und den Antrag auf Erlass zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klägerin habe für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend glaubhaft gemacht, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten zu stehen. Ebenfalls nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei, dass es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um eine erlaubnispflichtige, medizinische Tätigkeit handle und somit ein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz vorliege.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die begehrte Unterlassung weiter. Das LG gehe fehlerhaft davon aus, dass kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Insbesondere lägen die Geschäftssitze der Parteien in einer "einheitlichen Wirtschaftszone". Weiter würden Faltenunterspritzungen - egal mit welchem Material - aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in den Körper mit erheblichem Gefährdungspotential eindeutig dem Heilpraktiker-Vorbehalt unterliegen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Von einer weiteren Darstellung wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg, soweit sie eine Unterlassung von Faltenunterspritzungen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten betrifft. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Der Verfügungsantrag der Klägerin ist hinsichtlich der Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten begründet.

Insoweit hat sie einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf die begehrte Unterlassung der Faltenunterspritzungen ohne behördliche Erlaubnis gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 HPG glaubhaft gemacht.

a) Die Klägerin ist als Mitbewerberin gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG antragsbefugt.

Auch ausländische Mitbewerber sind klagebefugt, wenn sie im In- oder Ausland zu einem inländischen Verletzer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Die Klageberechtigung kann sich dabei aus einem internationalen Abkommen oder - wie hier - unmittelbar aus dem auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden deutschen UWG ergeben (Jestaedt in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kapitel 18 Rz. 18).

Die Klägerin hat durch die vorgeleg...

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