Entscheidungsstichwort (Thema)
Beleidigung in sozialen Netzwerken. Beginn der Strafantragsfrist. Zum Beginn der Strafantragsfrist bei Beleidigungen in sozialen Netzwerken
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Tatbestand der Beleidigung können der Zeitpunkt der Vollendung der Tat und der Zeitpunkt der Beendigung der Tat auseinanderfallen. Stellt der Täter einen ehrverletzenden Beitrag im Internet auf seinem eigenen sozialen Netzwerk-Account ein, so ist die Tat, weil die Beleidigung als Erfolgsdelikt den Zugang der Äußerung erfordert, mit der erstmaligen Wahrnehmung des ehrverletzenden Beitrags durch den Betroffenen oder einen Dritten vollendet. Beendet ist eine solche Beleidigung hingegen erst in dem Zeitpunkt, in dem der vom Täter eingestellte und mit seinem Wissen und Wollen online gehaltene Beitrag gelöscht oder jedenfalls nicht mehr wahrgenommen wird. Denn bis zu diesem Zeitpunkt bestand für das geschützte Rechtsgut, die Ehre des Betroffenen, die spezifische Gefahrenlage über den Zeitpunkt der Vollendung der Tat hinaus fort und vergrößerte bzw. vertiefte sich auch mit jeder Kenntnisnahme der beleidigenden Äußerung durch weitere Personen.
2. Fallen der Zeitpunkt der Vollendung und der Beendigung einer Beleidigung auseinander, kann die Antragsfrist des § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB auch erst mit Beendigung der Tat zu laufen beginnen. Denn zuvor ist dem Verletzten eine abschließende Beurteilung des Umfangs der Rechtsgutverletzung als Grundlage für die Entscheidung über die Stellung eines Strafantrags nicht möglich.
Normenkette
StGB §§ 185, 194, 77b Abs. 1 S. 1; GVG § 54 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 18.05.2022; Aktenzeichen 25/18 11 Ns 530 Js 2497/16) |
Tenor
- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts F. vom 18.05.2022 wird verworfen.
- Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts F. vom 18.05.2022 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit das Verfahren unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts F. vom 27.04.2018 (26 Cs 530 Js 2497/16) eingestellt wurde.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, insoweit auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts F. zurückverwiesen.
- Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen ( § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO ).
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde zunächst durch Urteil des Amtsgerichtes F. vom 27.04.2018 wegen Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 100 € verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein.
In einem weiteren Strafverfahren wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht F. am 15.12.2020 wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein und der Angeklagte "Rechtsmittel".
Beide Strafverfahren wurden mit Beschluss der Berufungskammer des Landgerichtes F. vom 02.06.2021 verbunden. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 11.05.2022 (Seite 3) beschränkten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte ihr Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtes F. vom 15.12.2020 auf den Rechtsfolgenausspruch.
Durch Urteil vom 18.05.2022 hat das Landgericht F. das Urteil des Amtsgerichts F. vom 27.04.2018 aufgehoben und das Verfahren wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses eingestellt. Die Berufungskammer vermochte nicht festzustellen, dass die Strafantragsfrist von drei Monaten gemäß § 77b Abs. 1 Satz 1 StGB von den fünf Strafantragstellern jeweils eingehalten worden sei.
Ferner wurde das Urteil des Amtsgerichtes F. vom 15.12.2020 auf die Berufung des Angeklagten dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils 120 € aus dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichtes S. vom 11.11.2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die weitergehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft wurden verworfen. Das Landgericht hat im Urteil festgestellt, dass das Adhäsionsverfahren nach dem vollständigen Anerkenntnis des Angeklagten, der Zahlung des Schmerzensgeldes und der übereinstimmenden Erledigungserklärung des Adhäsionsklägers und des Adhäsionsbeklagten erledigt ist.
Gegen dieses Urteil des Landgerichts F. vom 18.05.2022 richtet sich die form- und fristgerecht zu Ungunsten des Angeklagten erhobene Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Aufhebung der erfolgten Verfahrenseinstellung und eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen erstrebt.
Die Revision des Angeklagten wendet sich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gegen das Urteil des Landgerichts, soweit der Angeklagte ver...