Leitsatz (amtlich)

Enthält ein Vertrag über eine Wohngebäudeversicherung auch eine Rohbauversicherung, so bestimmt sich bei einem den Rohbau betreffenden Versicherungsfall der für die Frage der Unterversicherung maßgebende Versicherungswert nach dem tatsächlichen Wert des Rohbaus unmittelbar vor dem Schadensfall.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 08.07.2009; Aktenzeichen 3 O 4/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Urteil des LG Mannheim vom 8.7.2009 - 3 O 4/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 147.006,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 136.765 EUR seit 2.2.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 2.356,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.368,92 EUR für die Zeit von 2.2.2008 bis 9.7.2008 und aus 2.356,68 EUR seit 10.7.2008 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten erster Instanz tragen die Klägerin 18 % und die Beklagte 82 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 28 % und die Beklagte 72 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil jeweils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Gebäudeversicherung im Zusammenhang mit einem Brandschaden an ihrem Rohbau in Anspruch.

Die Klägerin stellte unter dem 28.6.2006 mit Hilfe eines Versicherungsmaklers unter Verwendung eines Vordrucks einer von der Beklagten unabhängigen Maklerorganisation I-GmbH einen Antrag auf eine Wohngebäude- einschließlich Feuerrohbauversicherung für ein seitens der L N GmbH für sie zu errichtendes F. Das Grundstück der Klägerin ist mit einem Grundpfandrecht der Hypovereinsbank belastet. Die L GmbH wird von dem Ehemann der Klägerin geführt, der zugleich mit der Bauleitung betraut war. Hinsichtlich der Bauart wurde in dem Formularantrag von den vorgegebenen Möglichkeiten die Fertighausklasse 1 (FHG 1) ausgewählt. Das - vorliegend allerdings nicht verwendete - eigene Antragsformular der Beklagten unterscheidet dagegen nicht zwischen verschiedenen Fertighausklassen, sondern nur zwischen Ein- und Mehrfamilienhäusern (sog. BAK, vgl. K 4). Als erfüllte Bedingung gab die Klägerin an, das Gebäude solle zumindest 50 % Wohnzwecken dienen. Dem folgte der im Formular vorgedruckte Hinweis, dass der gewählte Tarif bei gewerblicher Nutzung von mehr als 50 % nicht gelte.

Unter dem 3.7.2006 stellte die Beklagte der Klägerin den Versicherungsschein unter Einbeziehung der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) über einen gleitenden Neuwert von 14.300 M aus.

Am 7.9.2006 brannte der Rohbau der Klägerin nach der Durchführung von Dachdeckerarbeiten im Heißklebeverfahren durch einen Herrn H teilweise nieder. Die Klägerin meldete den Schaden bei der Beklagten am 8.9.2006 an. Nach Durchführung eines Ortstermins durch eine Mitarbeiterin der Beklagten am 11.9.2006 trat die Beklagte mit Schreiben vom 29.9.2006 vom Versicherungsvertrag zurück und erklärte gleichzeitig auch dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Begründet wurde dies zum Einen mit einer zum Antragsformular abweichenden Bauartklasse der gewählten Bauausführung sowie zum Anderen damit, dass die zur gewerblichen Nutzung vorgesehene Fläche mehr als 50 % der Gesamtfläche des Objekts ausmache. Es schloss sich umfangreicher Schriftwechsel zwischen den Parteien bzw. deren Prozessbevollmächtigten an. Das im Wege des von den Parteien sodann gewählten Sachverständigenverfahrens gem. § 22 VGB 88 erstellte Gutachten der Dipl.-Ing. B und Dr. A vom 26.7./31.7.2007 bezifferte den Brandschaden der Klägerin auf 124.165 EUR zzgl. Aufräum- und Schadensminderungskosten i.H.v. 11.600 EUR bzw. 1.000 EUR und ordnete das Haus der Klägerin in die Fertighausklasse FHG 2 ein.

Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr geplantes Haus der FHG 2 zuzuordnen sei und nicht wie im Formular des Maklers in FHG 1. Die Beklagte hätte den Vertrag aber auch bei zutreffender Einstufung abgeschlossen, da ihre eigenen Formulare lediglich zwischen Ein- und Mehrfamilienhäusern unterscheiden würden. Bei dem in Fertigbauweise zu errichtenden Haus handele es sich weder um das erste Gebäude dieser Art noch um ein neuartiges Konzept, vielmehr seien die Verwendung unbehandelten Holzes unter einer nicht brennbaren Verkleidung sowie eine Dämmung mit Hanf und Lehm in ökologischen Häusern üblich. Das Haus sei als Musterhaus konzipiert gewesen, dessen Obergeschoss zu Wohnzwecken habe vermietet werden und in dessen Erdgeschoss der Ehemann der Klägerin mit der L GmbH ha...

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