Leitsatz (amtlich)
1. Ist zwischen dem Lagerhalter und dem Einlagerer streitig, ob bestimmte Güter vom Einlagerer zurückgenommen wurden, oder ob die Güter im Lager abhanden gekommen sind, muss der Lagerhalter die Rücknahme durch den Einlagerer nachweisen.
2. An der Beweislast für die Rücknahme ändert sich in der Regel auch dann nichts, wenn der Einlagerer mehrfach Zutritt zum Lager hatte, und Unklarheiten bestehen, welche Güter der Einlagerer bei seinen Besuchen im Lager mitgenommen hat. Es ist Sache des Lagerhalters, den Zutritt des Einlagerers zum Lager zu kontrollieren und Entnahmen im Einzelnen zu dokumentieren.
3. Das Aufrechnungsverbot in Ziff. 19 ADSp ist eine "Haftungsbegrenzung" im Sinne von Ziff. 27 ADSp. Der Auftraggeber ist daher nicht gehindert, gegen den Vergütungsanspruch des Spediteurs mit einem Schadensersatzanspruch aufzurechnen, wenn dem Spediteur in einem Schadensfall ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von Ziff. 27 ADSp zur Last fällt.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 11.02.2005; Aktenzeichen 13 O 59/03 KfH I) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 11.2.2005 - 13 O 59/03 KfH I - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 6.981 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.6.2004.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Karlsruhe verwiesen mit folgenden Ergänzungen:
Die Klägerin macht mit der Klage Vergütungsansprüche geltend aus folgenden Rechnungen:
Rechnung vom 31.10.2001 407,03 EUR
Rechnung vom 13.11.2001 1.204,45 EUR
Rechnung vom 16.2.2002 1.427,60 EUR
Rechnung vom 26.2.2002 289,36 EUR
Rechnung vom 29.5.2002 2.106,56 EUR
Summe: 5.435 EUR.
Die Rechnung vom 31.10.2001 lautete ursprünglich auf einen Betrag von 899,67 EUR. Nach Verrechnung einer Zahlung i.H.v. 492,64 EUR macht die Klägerin aus dieser Rechnung noch den Restbetrag i.H.v. 407,03 EUR geltend. Bei den anderen Rechnungen sind die vollen Rechnungsbeträge Gegenstand der Klage. Die Rechnung vom 29.5.2002 betrifft die Vergütung der Klägerin für die Lagerung verschiedener Waren im Lager der Klägerin in Karlsruhe in der Zeit von Januar bis Mai 2002. Die anderen Rechnungen betreffen Frachtvergütung für verschiedene Transporte. Die tatsächlichen Grundlagen der Rechnungen sind zwischen den Parteien unstreitig.
Die von der Beklagten am 22.1.2002 der Klägerin übergebenen 925 EURstarterkits Italien wurden im Lager der Klägerin in einem gesonderten Raum verwahrt, den die Klägerin als "Wertverschlag" bezeichnet. Der Raum war verschlossen; der einzige Schlüssel befand sich im Besitz eines Mitarbeiters der Klägerin. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten den Raum aufsuchte, um Waren (die aus unterschiedlichen Einlagerungsvorgängen stammten) zu entnehmen, war dies nur möglich, wenn der zuständige Mitarbeiter der Klägerin, der erstinstanzlich vernommene Zeuge dem Geschäftsführer der Beklagten Zutritt zu dem Raum verschaffte. In dem Raum wurden nicht nur Waren der Beklagten (die streitgegenständlichen Eurostarterkits sowie Sammlermünzen aus anderen Einlagerungsvorgängen der Beklagten) aufbewahrt, sondern gleichzeitig auch Waren anderer Kunden der Klägerin.
Das LG hat im Urteil vom 11.2.2005 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Beklagten stehe keine Schadensersatzforderung zu, die sie im Wege der Aufrechnung bzw. der Widerklage geltend machen könne. Zum einen hätten die Parteien mit dem Fax-Schreiben der Klägerin vom 6.2.2002 wirksam einen Haftungsausschluss vereinbart. Aus der durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich, dass die Beklagte das Schreiben der Klägerin erhalten habe. Der Haftungsausschluss stehe einer Schadensersatzforderung der Beklagten wegen des Verlusts der Eurostarterkits entgegen. Zum anderen habe die Beklagte - unabhängig von dem Haftungsausschluss - nicht bewiesen, dass die streitgegenständlichen Münzen tatsächlich im Gewahrsam der Klägerin in Verlust geraten seien. Der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, verschiedentlich im Lager gewesen, um Münzen aus anderen Einlagerungsvorgängen zu entnehmen. Es sei letztlich nicht geklärt, ob der Geschäftsführer der Beklagten dabei nicht auch bei einem dieser Besuche die fraglichen Eurostarterkits mitgenommen habe. Die von den Parteien vorgelegte schriftliche Dokumentation zu den Einlagerungen und Entnahmen im Lager der Klägerin seien unzureichend. Die Mängel in der Dokumentation der Entnahmen aus dem Lager wirkten sich zu Lasten der Beklagten aus, die den Verlust der Eurostarterkits nicht nachgewiesen habe.
Gegen dieses Urtei...