Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherer, der den Antrag auf Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung wegen einer Behinderung des Antragstellers abgelehnt hat, haftet nicht nach § 826 BGB, wenn später beim Antragsteller eine Berufsunfähigkeit eintritt, die nicht durch seine Behinderung verursacht ist.
Normenkette
GG Art. 3; BGB § 826; AGG §§ 20, 34
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 29.05.2007; Aktenzeichen 3 O 394/06) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mannheim vom 29.5.2007 - 3 O 394/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der 1968 geborene Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen Versagung des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Der Kläger leidet seit frühester Kindheit an einer infantilen Cerebralparese vom Typ einer spastisch athetotischen Tetraparese. Dabei handelt es sich um eine frühkindliche Hirnschädigung mit dyston-athetotischen Bewegungsstörungen der Extremitäten. 1996 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion und eine LWS-Distorsion im Rahmen eines Akzelerationstraumas. Als Folge des Unfalls leidet der Kläger an einer chronifizierten und nach derzeitigen Erkenntnissen nicht heilbaren Folge eines Schleudertraumas in Form eines Torticollis-spasmodicus, die - wie dem Kläger 2004 mitgeteilt - mit der Cerebralparese nicht in Zusammenhang steht.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des Versicherers, bei dem der Kläger 2002 eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Versicherungsbeginn 1.8.2002 und einer für den Versicherungsfall garantierten monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von DM 2.000 (1.022,58 EUR) beantragt hatte. Aufgrund des Antrags wurde dem Kläger vorläufiger Versicherungsschutz gewährt. Mit Schreiben vom 23.1.2003 wurde der Abschluss der beantragten Berufsunfähigkeitsversicherung abgelehnt. Ausschlaggebend war die Diagnose der infantilen Cerebralparese, die nach den damals geltenden Risikoprüfungsgrundsätzen des Versicherers zur Ablehnung des Antrags führen musste.
Der Kläger arbeitete bis zum 5.8.2003 als Account Manager überwiegend sitzend am Computer. Er litt unter einer zunehmend starken Spastik im Bereich der Schulter-Nacken-Region und des linken Armes mit dauernden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Fein- und grobmotorische Bewegungen mit der linken Hand und leichte Arbeiten mit der rechten Hand fielen ihm zunehmend schwer. Er gab deshalb im August 2003 seinen Arbeitsplatz auf. Seither bezieht er kein Einkommen mehr aus eigener Erwerbstätigkeit. Dem Kläger wurden auf der Grundlage von Rentenbescheiden der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Renten gezahlt.
Im Jahr 2003 übertrug der Versicherer seinen gesamten Versicherungsbestand mit Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Rückwirkung zum 1.7.2003 auf die Streithelferin, die im Übrigen jedoch nicht seine Rechtsnachfolgerin wurde.
Der Kläger hat unter Verweis auf die ihm erteilten Rentenbescheide vorgetragen, er sei infolge der durch den Verkehrsunfall ausgelösten Symptomatik seit dem 6.8.2003 bedingungsgemäß berufsunfähig. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ihn durch die Verweigerung des Vertragsschlusses sittenwidrig geschädigt, da Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ihr gegenüber Wirkung entfaltet habe und eigene Grundrechte der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG bei der Herstellung der praktischen Konkordanz hätten zurückstehen müssen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der seit September 2003 anzusetzenden Berufsunfähigkeitsrente von 1.022,58 EUR monatlich zu.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 40.903,20 EUR nebst 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte an den Kläger ab dem 1.1.2007 für die Dauer seiner Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum Ablauf der vertraglichen Leistungsdauer am 30.7.2027, eine Rente zu zahlen hat.
Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei nicht passivlegitimiert. Soweit der Kläger Ansprüche wegen der Ablehnung des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend mache, handele es sich um einen Sachverhalt, für den die Streithelferin hafte.
Die Ablehnung des Antrags auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sei nicht diskriminierend oder willkürlich erfolgt, sondern auf der Grundlage einer sorgfältigen und an den Interessen der Versichertengemeinschaft orientierten risikoadäquaten Kalkulation. Mit dem Aussc...