Leitsatz (amtlich)
Dem Betragsverfahren fehlt die erforderliche Grundlage, wenn die Entscheidung des Strafgerichts den in § 8 Abs. 2 StrEG geregelten Anforderungen an die Bestimmtheit einer Grundentscheidung im Entschädigungsverfahren nicht gerecht wird.
Nicht gem. § 7 StrEG ersatzfähig sind bloße Reflexschäden, die einem Gesellschafter, der nicht Alleingesellschafter ist, allein durch die Schädigung der Gesellschaft erwachsen.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 8 O 425/03) |
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des LG Karlsruhe v. 27.5.2004 - 8 O 425/03 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren Entschädigung für den Vollzug von Strafverfolgungsmaßnahmen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Mit ihren Berufungen verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Sie machen geltend, das LG habe verkannt, dass sich das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgsmaßnahmen in zwei Abschnitte gliedere, nämlich in die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung gem. § 8 StrEG und die nach Rechtskraft dieser Entscheidung zu treffende Feststellung zur Höhe des Anspruchs gem. den §§ 10, 13 StrEG. Das LG habe den Klageanspruch deshalb unzulässigerweise mit einer Begründung abgewiesen, die bereits Gegenstand der Überlegungen des Strafgerichts und des nachgeschalteten Beschwerdegerichts bei der Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung gewesen sei. Die von den Klägern angebotenen Sportwetten dürften nicht als Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB gewertet werden. Denn gerade von diesem Vorwurf seien die Kläger rechtskräftig freigesprochen worden. Abgesehen davon habe das LG die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes v. 6.11.2003 - Gambelli (EuGH v. 6.11.2003 - Rs. C-243/01 - Gambelli) falsch gewürdigt. Nach Art. 23 GG genieße das Europäische Gemeinschaftsrecht einen Anwendungsvorrang. Dieser Anwendungsvorrang bewirke, dass Gesetze in nationalem Recht, die mit den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar seien, von nationalen Behörden bzw. Gerichten auch im Verhältnis zu Angehörigen von Drittstaaten nicht angewendet werden dürften. Darüber hinaus verstoße § 284 StGB gegen Art. 12 und Art. 3 GG.
Die Kläger beantragen:
Das Urteil des LG Karlsruhe v. 27.5.2004 - 8 O 425/03 - wird abgeändert.
Das beklagte Land wird zur Zahlung von je 177.680,48 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit Klageerhebung an jeden der beiden Kläger verurteilt.
Der Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässigen Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Kläger vom beklagten Land nicht die Zahlung der begehrten Entschädigung verlangen können.
1. Den Klägern kann eine Entschädigung bereits deshalb nicht zugesprochen werden, weil dem Betragsverfahren die erforderliche Grundlage fehlt (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1993, 42; Schätzler/Kuntz, StrEG, § 8 Rz. 10; Meyer, Strafrechtsentschädigung, 5. Aufl., § 8 Rz. 41; Vorbem. zu den §§ 10 bis 13 Rz. 7). Der Beschluss des AG Karlsruhe - Durlach v. 19.12.2001 i.V.m. dem Beschluss des LG Karlsruhe v. 29.1.2002 sowie der Beschluss des AG Karlsruhe - Durlach v. 6.3.2002 (AG Karlsruhe-Durlach, Beschl. v. 19.12.2001; LG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2002; AG Karlsruhe-Durlach v. 6.3.2002), in denen festgestellt wurde, dass den Klägern "für die durch Strafverfolgungsmaßnahmen erlittenen Schäden eine Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren" sei, geben keine tragfähige Grundlage für das Betragsverfahren ab, weil sie den in § 8 Abs. 2 StrEG geregelten Anforderungen an die Bestimmtheit einer Grundentscheidung im Entschädigungsverfahren nicht gerecht werden. Gemäß § 8 Abs. 2 StrEG muss die Entscheidung des Strafgerichts über die Verpflichtung zur Entschädigung die Art und ggf. den Zeitraum der Strafverfolgsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird. Dies ist erforderlich, weil die Entschädigung dann, wenn eine solche für mehrere Maßnahmen in Betracht kommt, auch für eine zugesprochen und für die andere versagt werden kann, und weil die konstitutiv wirkende Entscheidung des Strafgerichts die Grundlage für das Betragsverfahren der Justizverwaltung und des Zivilgerichts bildet (Meyer, Strafrechtsentschädigung, 5. Aufl., § 8 Rz. 40 m.w.N.). Das Strafgericht bestimmt in der für das Betragsverfahren bindenden Grundentsche...