Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen Lichtimmissionen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen die nächtliche Beleuchtung benachbarter Gebäude besteht nicht, wenn die Lichtimmissionen die Benutzung des eigenen Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen.
2. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit können die "Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder - Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI)" als Orientierungshilfe herangezogen werden.
3. Das Maß der Schutzbedürftigkeit des von einer Immission betroffenen Nachbarn kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit er ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann.
Normenkette
BGB §§ 906, 1004
Verfahrensgang
LG Mosbach (Urteil vom 22.09.2016; Aktenzeichen 2 O 63/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach - 2. Zivilkammer - vom 22.09.2016 - 2 O 63/16 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Lichtimmissionen sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schmerzensgeld und Schadensersatz im Zusammenhang mit der nächtlichen Beleuchtung eines Kirchturms in T.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer von ihr genutzten Wohnung im Anwesen M-gasse 2, das sich nahe der Stadtkirche Sankt Martin in T befindet. Der Beklagte zu 1 ist Eigentümer des Grundstücks S-Platz 3; die Beklagte zu 2 [Kirchengemeinde] ist Eigentümerin der Stadtkirche und des Anwesens S-Platz 5.
Seit Dezember 2015 wird der Kirchturm der Stadtkirche von dessen Sockel und von den Dächern der Anwesen S-Platz 3 und 5 aus ab Einsetzen der Dämmerung bis zum Anbruch des Tageslichts mit 23 LED-Scheinwerfern angestrahlt. Zudem ist die obere Balustrade des Turms mit umlaufenden LED-Leuchtleisten ausgestattet. Die Gesamtbeleuchtung führt zu einem Lichteinfall in die Wohnung der Klägerin, die sich hierdurch beeinträchtigt sieht.
Die Klägerin forderte den Beklagten zu 1 auf, die Lichtanlage abzuschalten. Von der Beklagten zu 2 verlangte sie, die Belästigung zu unterlassen. Hierauf führte der Sachgebietsleiter Umweltschutz des Landratsamts M-Kreis in der Wohnung der Klägerin am 19.01.2016 gegen 02:00 Uhr eine Immissionsmessung der Beleuchtungsstärke mit Hilfe eines sog. Luxmeters durch. Dabei stellte er Werte zwischen 0,03 lx (Wohnküche) bis 0,38 lx (Dachterrasse) fest.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Schlafraum sei mit dem Dachgeschoss und einer Dachterrasse erhöht auf den Kirchturm hin ausgerichtet und direkt unterhalb der Turmbalustrade gelegen. Die Bestrahlung des Kirchturms führe dazu, dass ihre Schlaf- und Ruheräume nächtlich ununterbrochen mit der mehrfachen Lichtstärke einer hellen Vollmondnacht ausgeleuchtet würden. Sie erfahre durch das intensive Dauerlicht eine elementare Einschränkung ihrer Lebensqualität und körperlichen Unversehrtheit. Eine nächtlich ungestörte und unbeobachtete Nutzung der Dachterrasse als einziger Freisitz sei nicht mehr möglich. Ab 02:30 Uhr werde der permanente Lichtschein besonders hell wahrgenommen und die Tiefschlafphase abgebrochen, so dass ein erholsamer Schlaf regelmäßig nicht mehr möglich sei. Aufgrund der ständigen Störung der Nachtruhe leide die Klägerin an Schlafstörungen, Herz- und Kreislaufproblemen sowie persistierenden Kopfschmerzen. Weitere und noch ernstere Gesundheitsschäden seien bei fortgesetztem Betrieb der Lichtanlagen sicher zu erwarten. Die durchgeführte Lichtmessung habe keine Aussagekraft. Ein Luxmeter sei zur Messung der Leuchtstärke der verwendeten LED ungeeignet, weil diese einen engen Spektralbereich aufwiesen, der von der Photozelle eines Luxmeters nicht erfasst werden könne. Vielmehr sei der Einsatz eines Spektrum-Analysegeräts erforderlich. Die LED wiesen die Lichtfarbe kaltweiß mit einer Farbtemperatur von über 5.500 Grad Kelvin auf.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sich nicht auf die Anschaffung und Anbringung von Schutzvorkehrungen verweisen lassen zu müssen, weil Rollläden oder Jalousien bei Erbauung des Anwesens, in dem sie wohne, im 17. Jahrhundert noch nicht bekannt gewesen und nach den Vorgaben des Denkmalschutzes unzulässig seien. Zudem werde durch die Lichtverschmutzung unzulässig in den Natur- und Artenschutz eingegriffen. Für die erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sei ein Schmerzensgeld von mindestens 2.000 EUR angemessen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, die Scheinwerferanlagen auf dem Grundstück S-Platz 3 (Dach), T, abzustellen,
2. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, die Scheinwerfer- und Lichtanlagen auf dem Grundstück S-Platz 5 (Dach), T, sowie der Stadtkirche Sankt Martin (Kirchturm) abzustellen,
hilfsweise zu 1 und 2, die Beklagten...