Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigung eines LKW durch verrutschende Ladung nach einer Vollbremsung - Haftungsquote bei grob verkehrswidrigem Wendemanöver eines PKW
Leitsatz (amtlich)
1. Verursacht ein PKW-Fahrer durch ein grob verkehrswidriges Wendemanöver die Vollbremsung eines LKW, liegen die Voraussetzungen für eine Haftung des PKW-Halters auch ohne Kollision der beiden Fahrzeuge vor, wenn der LKW durch ein Verrutschen der unzureichend gesicherten Ladung beschädigt wird.
2. Für die Haftungsquote sind die beiderseitigen Verursachungsbeiträge abzuwägen. Ist dem Fahrer des LKW neben der unzureichenden Ladungssicherung eine überhöhte Geschwindigkeit (70 km/h statt 50 km/h außerorts auf einer Bundesstraße) vorzuwerfen, kommt eine Quote von 2/3 zu 1/3 zu Gunsten des PKW-Halters in Betracht.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1-2; StVO § 9 22 Abs. 1, § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 1 O 83/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgericht Offenburg vom 25.04.2019 - 1 O 83/18 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.603,56 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.07.2018.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen in Höhe von 281,30 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.10.2018.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche geltend nach einem Schadensfall im Straßenverkehr.
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Lastzugs mit dem Kennzeichen XXX. Am 22.06.2018 fuhr der Zeuge W., ein Mitarbeiter des Klägers, mit diesem Lastzug auf der B 33 von Biberach nach Offenburg. Der Zeuge hatte bei dieser Fahrt schwere Metallteile (Hydraulik-Stempel) geladen, die sich im Laderaum des Lkw befanden. Der Zeuge W. hatte während der Fahrt gegen 09:00 Uhr zunächst beobachtet, dass ein vor ihm in gleicher Richtung fahrender Pkw-Kombi im Bereich einer Ausbuchtung nach rechts gefahren war, um dort parallel zur Fahrtrichtung anzuhalten. Kurze Zeit nach diesem Manöver fuhr der Pkw-Kombi wieder auf die Fahrbahn vor dem Zeugen W., wendete auf der Fahrbahn und fuhr sodann auf der B 33 in der Gegenrichtung zurück. Das Wendemanöver veranlasste den Zeugen W. zu einer Vollbremsung; er wollte eine Kollision mit dem vor ihm wendenden Pkw-Kombi verhindern. Die Vollbremsung des Lkw führte dazu, dass die Ladung verrutschte. Mehrere Hydraulik-Stempel stießen im Laderaum gegen die Stirnwand. Diese wurde erheblich beschädigt. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Pkw-Kombi. Die Kosten der Reparatur des Lkw betrugen unstreitig 7.300,67 EUR netto.
Der Kläger hat erstinstanzlich von der Beklagten vollen Ersatz seines Schadens verlangt. Für den Schaden sei allein der Fahrer des Pkw-Kombi verantwortlich, der den Zeugen W. durch ein verkehrswidriges Wendemanöver auf der Bundesstraße zu einer Vollbremsung gezwungen habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat erstinstanzlich teilweise das Vorbringen des Klägers zur Verursachung des Schadens mit Nichtwissen bestritten. Eine Haftung der Beklagten scheide im Übrigen schon deshalb aus, weil für den Schaden am klägerischen Lkw eine unzureichende Sicherung der Ladung ursächlich gewesen sei.
Das Landgericht hat zu dem fraglichen Geschehen den Zeugen W. vernommen und zur Frage der Ladungssicherung ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. eingeholt. Mit Urteil vom 25.04.2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar seien die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG gegeben. Denn der Schaden des Klägers sei bei dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Pkw-Kombi entstanden. Der Fahrer des Pkw-Kombi habe den Zeugen W. durch ein vorschriftswidriges Wendemanöver zur Vollbremsung veranlasst. Bei einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge trete dieser schuldhafte Verkehrsverstoß jedoch gegenüber dem Verursachungsbeitrag des Zeugen W. vollständig zurück, so dass eine Haftung der Beklagten entfalle. Denn entscheidend für den Schaden sei nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. eine unzureichende Ladungssicherung gewesen. Für die Sicherung der Ladung sei der Zeuge W. als Fahrer des Lastzugs verantwortlich gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an der Auffassung fest, dass die Beklagte in vollem Umfang zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Feststellungen des Landgerichts zur fehlerhaften Ladungssicherung nimmt der Kläger hin. Für die Haftung sei jedoch au...