Verfahrensgang
LG Mannheim (Entscheidung vom 23.07.1979; Aktenzeichen 12-O-16/79) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 23. Juli 1979 abgeändert.
II
Es wird festgestellt, daß der Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.06.1978 insoweit nichtig ist, als er die Satzung der Beklagten dahin änderte, daß der Aufsichtsrat beschlußfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der an der Beschlußfassung Teilnehmenden Vertreter der Anteilseigner sind und sich unter ihnen der Vorsitzende des Aufsichtsrats befindet.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III.
Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch durch die Vorlage einer unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
VI.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 250.000,00 DM.
VII.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist ein von dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz - MitbestG) vom 4. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153) erfaßtes Unternehmen. Ihr Aufsichtsrat setzt sich aus je acht Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen. Die Kläger sind die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist Aufsichtsratsmitglied der Anteilseigner. Die Zweitklägerin ist Stellvertreterin des Aufsichtsratsvorsitzenden. Durch Beschluß der Hauptversammlung vom 29.06.1978 wurde die Satzung der Beklagten geändert. Die geänderte Satzung enthält folgende Bestimmung:
§ 12 Abs. 3
"Der Aufsichtsrat ist beschlußfähig, wenn die Hälfte der Mitglieder, aus denen er insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt, mindestens die Hälfte der an der Beschlußfassung Teilnehmenden Vertreter der Anteilseigner sind und sich unter ihnen der Vorsitzende des Aufsichtsrats befindet."
Die Satzungsänderung wurde am 19.07.1978 in das Handelsregister eingetragen.
Mit der im Jahre 1979 erhobenen Klage haben die Kläger die Nichtigkeit der wiedergegebenen Satzungsänderung geltend gemacht. Sie haben die Meinung vertreten, die Vorschrift, wonach der Aufsichtsrat nur beschlußfähig ist, wenn die Hälfte der an der Beschlußfassung Teilnehmenden Vertreter der Anteilseigner sind, verstoße gegen § 28 MitbestG i.V.m. § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG. Die für die Beschlußfähigkeit notwendige Teilnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden verletze den aktienrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung aller Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder und stelle mitbestimmungsrechtlich eine Diskriminierung der Vertreter der Arbeitnehmer dar.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, daß der Hauptversammlungsbeschluß der Beklagten vom 29.06.1978 sowie § 12 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 29.06.1978 nichtig sind.
Die Beklagte hat
Klagabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 AktG liege nicht vor. Insbesondere sei § 28 MitbestG keine ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse erlassene Vorschrift. Jedenfalls sei die Bestimmung nicht verletzt. § 28 MitbestG sei nur insoweit zwingendes Recht, als die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrates einerseits nicht gegenüber den dort vorgesehenen Voraussetzungen erleichtert, andererseits nicht von seiner "aktuellen Zusammensetzung (Sollstärke, Soll-Verhältnis der Gruppenvertreter)" abhängig gemacht werden dürfe. Im übrigen bleibe die Befugnis der Hauptversammlung, die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats durch Satzung zu bestimmen (§ 108 Abs. 2 Satz 1 AktG) unangetastet. Von dieser Befugnis habe die Hauptversammlung bei der von den Klägern beanstandeten Satzungsänderung Gebrauch gemacht. Die Satzungsänderung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder. Das Mitbestimmungsgesetz weiche durch die dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen gewährte Zweitstimme (§ 29 Abs. 2 MitbestG) von dem Grundsatz formaler Gleichheit der Aufsichtsratsmitglieder ab. Dem Willkürverbot widerspreche die Regelung nicht, denn sie bezwecke es. Zufallsmehrheiten zu verhindern und dem Vorsitzenden die Möglichkeit zur Einsetzung der Stichstimme zu verschaffen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. Juli 1979 abgewiesen. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.
In der Berufungsinstanz wiederholen die Kläger ihr erstinstanzliches Vorbringen und setzen sich mit den Entscheidungsgründen des Landgerichts auseinander.
Sie beantragen
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weitere Rechtsgesichtspunkte vor.
...