Leitsatz (amtlich)

Eine Vermögensanlage in Genussscheinen, Aktien oder entspr. Fonds stellt kein Spekulationsgeschäft i.S.d. § 3 Abs. 2 f. ARB 94 dar.

Dem Rechtsschutzversicherer ist es verwehrt, sich auf die mangelnde Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung zu berufen, wenn er dem Versicherten diesen Ablehnungsgrund entgegen § 18 Abs. 1b ARB 94 nicht unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat.

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 03.06.2003; Aktenzeichen 1 O 40/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 3.6.2003 – 1 O 40/03 – aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem zwischen ihrem Ehemann … und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag (Versicherungs-Nummer: …) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die M.-AG aus dem Vermögens-Verwaltungsvertrag zwischen der Klägerin und M. vom. 18.1./24.1.2000 bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Vermögensverwaltungsvertrag Rechtsschutz zu gewähren habe.

Der Ehemann der Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die den Versicherungsschutz der Klägerin einschließt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1994 (ARB 94) zugrunde.

Im Januar 2000 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der M.-AG einen Vermögensverwaltungsvertrag (Anlage K 1), mit dem die Vermögensverwalterin beauftragt und bevollmächtigt wurde, das ihr anvertraute Vermögen nach Maßgabe näher vereinbarter Bestimmungen bestmöglich, aber ohne Verpflichtung auf einen bestimmten Anlageerfolg zu verwalten. Schriftlich vereinbart wurde, dass die Vermögensverwalterin beauftragt sei, das ihr anvertraute Vermögen nach eigenem Ermessen ohne vorherige Einholung von Weisungen, jedoch gem. der zu vereinbarenden Anlagestrategie (reines Rentendepot, konservatives Depot, ausgewogenes Depot, flexibles Depot oder dynamisches Depot) zu verwalten. Bei den vier letztgenannten Depots konnte die Anlage in in- und ausländischen Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds erfolgen. Beim dynamischen Depot, das die Klägerin – als riskanteste Anlagestrategie – wählte, durfte der Anteil der auf Aktien und auf ausländische Währungen entfallenden Anlagen 100 % des Vermögens erreichen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vermögensverwalterin ihre Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag verletzt habe und daher zum Ersatz des ihr dadurch i.H.v. 166.000 Euro entstandenen Schadens verpflichtet sei. Für diese Rechtsverfolgung begehrt sie von der Beklagten Deckungsschutz. Die Klägerin sieht – u.a. – trotz der gewählten Anlagestrategie einen Pflichtverstoß der Vermögensverwalterin darin, dass diese nahezu das gesamte anvertraute Vermögen zu einem Zeitpunkt in Aktien angelegt gelassen habe, als die Anlage auf unter 80 % des ursprünglichen Wertes gefallen gewesen sei.

Die Beklagte ist der Auffassung, die beabsichtigte Klage habe mangels schuldhafter Verletzung von Pflichten durch die Vermögensverwalterin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im Übrigen sei für die geltend gemachten Ansprüche gem. § 3 Abs. 2 f. ARB 94 Deckungsschutz ausgeschlossen, weil die angeblichen Vertragsverletzungen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften stünden.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Bezug genommen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klägerin habe nicht schlüssig vorgetragen, dass die Vermögensverwalterin eine ihr obliegende Pflicht verletzt habe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt, in Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin aus dem zwischen deren Ehemann.. und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag (Versicherungsnummer: …) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Vermögensverwaltungsvertrag zwischen der Klägerin und der M.-AG vom 18.1.2000/24.1.2000 Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG ist die Beklagte ihr für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zur Gewährung von Rechtsschutz gem. §§ 1, 2a der vereinbarten ARB 94 verpflichtet.

I. Unzweifelhaft besteht für die Ge...

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