Leitsatz (amtlich)
1. Für die außergerichtliche Verlängerung der Widerrufsfrist in einem gerichtlich protokollierten Vergleich ist keine Anzeige vor Fristablauf ggü. dem Gericht erforderlich.
2. Hält das erstinstanzliche Gericht einen Vergleichswiderruf zu Unrecht für unwirksam, kann der Rechtsstreit gem. § 538 ZPO zurückverwiesen werden.
Normenkette
BGB § 779; ZPO § 794
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 2 O 312/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG vom 17.2.2005 aufgehoben und festgestellt, dass der Rechtsstreit vor dem LG Konstanz nicht durch den am 24.9.2004 protokollierten Vergleich beendet wurde.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von dem Beklagten persönlich (Beklagter Ziff. 2) und als Insolvenzverwalter (Beklagter Ziff. 1) die Auszahlung noch nicht ausgekehrter Erlöse aus dem Einzug ihr zustehender Forderungen und der Verwertung ihres Sicherungseigentums sowie Auskunft über den Einzug der Forderungen. Widerklagend begehren die Beklagten von der Klägerin die Auszahlung eines Restbetrages, der sich nach Abrechnung zu ihren Gunsten ergebe. Am 24.9.2004 schlossen die Parteien einen gerichtliche protokollierten Widerrufsvergleich, der unter Ziff. 3 folgende Regelung trifft:
"Beide Parteien können den Vergleich durch Anwaltsschriftsatz, eingehend bei Gericht bis spätestens 30.10.2004 widerrufen."
Im Folgenden verhandelten die Parteien, ohne das Gericht hiervon zu benachrichtigen, über eine Verlängerung der Widerrufsfrist um zwei Wochen. Der Klägervertreter übersandte dem Beklagtenvertreter am 22.10.2004 ein Bestätigungsschreiben mit folgendem Inhalt: "Nach Rücksprache mit meiner Mandantin kann ich Ihnen mitteilen, dass Einverständnis mit einer Verlängerung der im Verhandlungstermin vom 24.9.2004 protokollierten Vergleichswiderrufsfrist um 14 Tage (bis 13.11.2004) besteht. Sofern Sie dieses Schreiben zur Einreichung bei Gericht verwenden wollen, bestehen unsererseits hiergegen keine Bedenken." Dem LG zeigten die Parteien die Fristverlängerung innerhalb der ursprünglichen Widerrufsfrist nicht an. Erst am 8.11.2004 erlangte es Kenntnis von der Vereinbarung und dem Schreiben des Klägervertreters. Am 9.11.2004 ging der Widerrufsschriftsatz des Beklagtenvertreters beim LG ein. Die Beklagten begehrten die Feststellung, dass der Rechtsstreit nicht durch den Prozessvergleich abgeschlossen ist. Die Klägerin beantragte festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird im Übrigen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat mit der Begründung, dass die Fristverlängerung mangels Anzeige ggü. dem Gericht unwirksam sei, durch Endurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.
Sie sind der Auffassung, dass die Mitteilung ggü. dem Gericht keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Fristverlängerung sei. Das LG habe insb. die Widerrufsklausel falsch ausgelegt. Das ermittelte Auslegungsergebnis ergebe sich nicht aus dem Wortlaut der Ziff. 3. Außerdem sei die Widerrufsklausel eine eng auszulegende Ausnahmeregelung, da grundsätzlich der Widerruf auch ggü. der anderen Partei erklärt werden könne.
Die Beklagten beantragen,
1. Das Urteil des LG vom 17.2.2005 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Vergleich wirksam widerrufen wurde.
3. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des LG und ist der Ansicht, die Auslegung der Widerrufsklausel ergebe, dass die Fristverlängerung dem LG innerhalb der ursprünglichen Frist mitgeteilt werden müsse. Aus der Tatsache, dass die Parteien unter Ziff. 3 des Vergleiches das Erfordernis vereinbart haben, den Widerruf des Vergleiches fristgerecht dem Gericht ggü. zu erklären, folge, dass eine Fristverlängerung erst Recht bei Gericht anzuzeigen sei, um Wirksamkeit zu entfalten. Auch dem Schreiben des Klägervertreters vom 22.10.2004 könne man entnehmen, dass die Wirksamkeit der Fristverlängerung unter der Bedingung stehe, dass das Schreiben durch den Beklagtenvertreter innerhalb der ursprünglichen Frist bei Gericht eingereicht werde.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.6.2005 und den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13.4.2005 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Nichterledigung des Rechtsstreits durch den Vergleich und zur Zurückverweisung an das LG.
1.a) Das erstinstanzliche U...