Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Nichtigkeit von ab dem 01.07.2021 geschlossenen Verträgen über Online-Casinospiele, wenn der Anbieter nicht über eine behördliche Erlaubnis verfügt.
Normenkette
BGB §§ 134, 762, 817, 823 Abs. 2, § 826; EGV 44/2001 Art. 17 Abs. 1; EGV 593/2008 Art. 12 Abs. 1; GlüStVtr BW 2012 § 4 Abs. 4; StGB § 284
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 16.12.2022; Aktenzeichen 6 O 62/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16.12.2022, 6 O 62/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten bei Online-Glücksspielen entstandene Verluste zurück.
Die in Malta ansässige Beklagte ist ein Unternehmen, das u.a. die Online-Casino-Seite "P." betreibt. Die Beklagte verfügt lediglich über eine maltesische Glücksspiellizenz, jedoch nicht über eine Erlaubnis oder Konzession, die ihr in Deutschland oder jedenfalls in Baden-Württemberg das Veranstalten von Online-Glücksspielen im Internet erlaubt hätten.
Der Kläger nahm im Zeitraum vom 04.12.2020 bis 20.07.2021 von seinem Wohnsitz in K. aus auf der Online-Casinoseite "P." der Beklagten an Online-Casinospielen teil. Insgesamt hat der Kläger EUR 12.920,00 bei den Beklagten verspielt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Landgericht sei international und örtlich zuständig. Auf den vorliegenden Fall sei deutsches Recht anwendbar.
Der Kläger hat behauptet, er habe als Verbraucher zur Freizeitgestaltung an den streitgegenständlichen Glücksspielen teilgenommen. Er sei spielsüchtig und im Übrigen davon ausgegangen, dass die von der Beklagten angebotenen Online-Casinospiele gesetzlich erlaubt seien. Die AGB der Beklagten seien ihm nicht vorgelegt worden. Etwaige Medienberichte habe er nicht zur Kenntnis genommen.
Dem Kläger stünden bereicherungsrechtliche und deliktsrechtliche Ansprüche zu.
Die Beklagte habe durch Leistung des Klägers EUR 12.920,00 ohne Rechtsgrund erlangt. Die von der Beklagten auf der Seite "P." angebotenen Online-Glücksspiele seien im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland ausnahmslos verboten gewesen. Das Glücksspielangebot der Beklagten sei nicht behördlich geduldet gewesen, insbesondere auch nicht durch den Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020. Eine etwaige Duldung wäre im Hinblick auf ein zivilrechtliches Verbot auch unbeachtlich. Die maltesische Lizenz sei nicht ansatzweise mit dem Schutzgedanken des Glücksspielstaatsvertrages zu vereinbaren. Unerlaubte Glücksspiele begründeten wegen § 4 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 134 BGB keine wirksamen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten. § 4 Abs. 4 GlüStV sei weder europarechts- noch verfassungswidrig. Die Beklagte praktiziere vorsätzlich illegales Online-Glücksspiel. Auch nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 sei ihr in Deutschland keine nationale Lizenz erteilt worden.
§ 817 Satz 2 BGB sei auf die Rückzahlungsansprüche des Klägers nicht anwendbar. Es fehle zudem an den subjektiven Voraussetzungen, die Beklagte trage hierzu auch nichts vor. Das Verbot von Online-Glücksspielen sei auch nicht allgemein bekannt. Auch aus den AGB der Beklagten ergebe sich dieses nicht. Diese versuchten nur, mit vagen Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Im Übrigen nehme die Beklagte gerade für sich selbst ein legales Handeln oder einen Verbotsirrtum in Anspruch. Sie könne daher nicht bei ihren privaten Kunden von einer Kenntnis der Rechtslage ausgehen. Jedenfalls aber sei § 817 Satz 2 BGB teleologisch zu reduzieren.
§ 762 BGB sei nicht anwendbar, da dieser das Vorliegen eines wirksamen Spiel- und Wettvertrages voraussetze.
Auch § 242 BGB stehe dem klägerischen Anspruch nicht entgegen. Der Kläger habe nicht treuwidrig gehandelt.
Dem Kläger stünden auch Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV, § 284 StGB zu. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV und § 284 StGB seien Verbotsgesetze, die auch den Einzelnen gemäß § 823 Abs. 2 BGB schützen sollten. Die Beklagte habe gegen § 284 StGB verstoßen.
Die Ansprüche ergäben sich darüber hinaus auch aus § 826 BGB. Die Beklagte habe nicht nur über die Illegalität ihrer eigenen Online-Glücksspiele bewusst getäuscht, sondern auch die pathologische Spielsucht von Spielern ausgenutzt. Ein etwaiges Mitverschulden trete hinter der Handlung der Beklagten zurück.
Der Kläger hat die mit der Beklagten geschlossenen Verträge widerrufen, da diese im Fernabsatz geschlossen worden seien. Er ist der Auffassung, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB nicht eingreife, weil die Vorschrift bei staatlich nicht legitimierten Spielverträgen nicht anzuwenden sei.
Der Kläger hat in erster Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung in Höhe von insgesamt EUR 12.920,00 nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Die Beklagte h...